Viva Espana
den kleinen Finger gewickelt, alle waren begeistert von dem Kleinen.
„Ich wäre glücklich, wenn ich so einen Sohn hätte", sagte Rosita zu Davina und küsste Jamie auf die Stirn, ehe sie und Sebastian sich verabschiedeten.
„Du hast aber auch etwas, was andere nicht haben", entgegnete Davina lächelnd. „Ich wäre froh, von meinem Mann so sehr geliebt zu werden wie du von Sebastian, Rosita."
Schließlich ging Davina ins Schlafzimmer, um sich zum Essen umzuziehen. Ruy lag mit geschlossenen Augen auf dem breiten Bett. Als Davina ihn genau betrachtete, bemerkte sie die harten Falten auf seiner Stirn und um die Lippen. Am liebsten hätte sie ihn gestreichelt, so verletzlich wirkte er.
Gut, dass ich mich beherrscht habe, dachte sie wenige Sekunden später, denn er öffnete die Augen. Er musterte sie von oben bis unten.
„Kommst du nicht zum Essen?" In dem Moment, als sie die Frage aussprach, war ihr klar, wie dumm sie war. Man sah Ruy an, dass er Schmerzen hatte. Er hatte die Lippen zusammengepresst und die Hände zu Fäusten geballt.
„Würdest du mich etwa vermissen?" Seine Stimme klang spöttisch. „Du kannst ja bei mir bleiben, wenn du dir meinetwegen Sorgen machst. Aber wir wissen beide, dass ich dir völlig egal bin, sonst hättest du mich niemals verlassen."
„Du weißt genau, weshalb ich gegangen bin", stieß sie hervor. Ruy durfte nie erfahren, wie schwer ihr dieser Entschluss gefallen war und wie sehr sie gelitten hatte. Das würde ihr Stolz nicht zulassen.
„Natürlich." Er hörte sich plötzlich seltsam niedergeschlagen an. Nein, das passt nicht zu ihm, wahrscheinlich ist er nur erschöpft, überlegte sie. „Uns beiden ist klar, wie unsinnig es ist, eine Ehe retten zu wollen, wenn einer der Partner den anderen nicht mehr liebt, sondern nur noch erträgt. Verrat mir, warum du überhaupt zurückgekommen bist."
Sie atmete tief ein und versuchte, sich zu beruhigen. „Wegen Jamie", erwiderte sie dann leise. Und das stimmte auch, sie war ihrem Sohn zuliebe nach Spanien geflogen.
Dass sie Ruy noch immer liebte, war ihr zu dem Zeitpunkt nicht bewusst gewesen. Sie hatte es all die Jahre verdrängt. „Er ist im Winter sehr krank gewesen, er hatte eine Darmentzündung mit vielen Komplikationen. Der Arzt meinte, in einem warmen Klima könne er sich besser erholen als in dem kühlen, feuchten, das wir in England haben. Und da ich mir keinen Erholungsurlaub im Süden leisten konnte ..."
„Warum rührst du dann das Geld nicht an, das ich dir jeden Monat überweise?"
unterbrach er sie hart und betrachtete sie aufmerksam.
Sie hatte das Geld nicht genommen, weil sie nur seine Liebe haben wollte, sonst nichts. „Das konnte ich nicht", erwiderte sie.
„Ah ja. Aber trotzdem bist du zurückgekehrt und lebst hier auf meine Kosten ..."
„Ich hatte Angst, du würdest versuchen, mir Jamie wegzunehmen, wenn ich mich weigerte, zu dir zu kommen. Er ist immerhin dein Sohn und Erbe, und ..."
„Hast du mit ihm darüber gesprochen?" unterbrach er sie. „Er wusste, dass ich sein Vater bin ..."
„Er wusste, dass wir seinen Vater besuchen würden. Ich habe ihn nie belogen und ihm nicht verschwiegen, dass es dich gibt, Ruy. Aber ich habe nicht viel über dich erzählt, weil ich dachte, es sei besser so."
„Mit anderen Worten, du hast nicht damit gerechnet, dass ich jemals eine wichtige Rolle in seinem Leben spielen könnte, stimmt's?"
Was sollte sie darauf antworten? Jamie hatte nie erfahren sollen, dass sein Vater ihn nicht so lieb hatte wie die Kinder, die er wahrscheinlich mit einer anderen Frau hatte.
Und sie hatte ihrem Sohn auch nicht sagen wollen, dass sein Vater ihn nicht gewollt hatte und nach seiner Geburt nicht ins Krankenhaus gekommen war, um ihn zu sehen, weil er mit seiner Geliebten zusammen gewesen war. All das erzählte man einem Kind nicht. Sie hatte Jamie nicht beeinflussen und ihn gegen seinen Vater einnehmen wollen. Aber Ruys Existenz hatte sie ihm nicht verschwiegen.
„Ich habe gedacht, du würdest Carmelita heiraten", sagte sie schließlich ruhig. „Deine Familie hat sich das ja immer gewünscht." Und du dir auch, fügte sie insgeheim hinzu.
Am liebsten hätte sie es laut ausgesprochen, doch sie wollte ihn nicht an den Verlust erinnern. Wenn man jemanden liebte, spürte man dessen Schmerz genauso wie den eigenen. Ihr war klar, sie würde alles für Ruy tun, damit er wieder gesund werden und Carmelitas Liebe zurückgewinnen könnte. Doch mo mentan wusste sie nicht, was sie für ihn
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