Vogel-Scheuche
Auge auf. »Die zukünftige Geschworene wird auf die Frage entweder bejahend oder verneinend antworten.«
»Was?«
»Das heißt ja oder nein«, erklärte Grey.
»Oh.« Sie überlegte. »Nein.«
»Dann hast du also kein Interesse daran, der Erwachsenenverschw ö rung zur Geltung zu verhelfen?«
»Richtig. Ich halte das für verrückt. Ich meine, was ist denn so Schlimmes daran, ein paar heiße Wörter zu verwenden oder einem Kind die Höschen zu zeigen? Die Kinder wissen doch ohnehin schon alles darüber.«
Grey runzelte die Stirn. »Ich fechte diese Geschworene an, und zwar aufgrund…«
»Die Geschworene ist entlassen«, verkündete der Richter.
»Was, nur weil ich die Wahrheit gesagt habe? Ich dachte, Ihr wolltet die Wahrheit hören.«
»Wir wissen die Wahrheit zu schätzen«, erwiderte Grey vorsichtig. »Wir sind nur nicht der Auffassung, daß du als Geschworene in diesem Prozeß geeignet bist.«
»Na schön, wenn Ihr das so seht, will ich auch nichts damit zu tun h a ben!« Threnodia stand auf, wobei sie um ein Haar ihre Höschen gezeigt hätte, und begab sich ins Publikum.
Angenommen, die Höschen wären tatsächlich zu sehen gewesen, was dann? fragte sich Metria. Im Publikumssaal waren auch Kinder. Hätte der Richter den Prozeß dann wegen Verfahrensfehlern für ungültig e r klären müssen? Oder hätte er Threnodia einfach wegen Mißachtung des Gerichts von der Wolke schubsen können?
Der Gerichtsdiener rief den nächsten Namen aus: »Rapunzel Golem.«
Rapunzel trat in den Zeugenstand. Sie war ebenso hübsch wie Thr e nodia, aber auf sehr viel ungefährlichere Weise. Sie stimmte darin zu, daß der Erwachsenenverschwörung zur Geltung zu verhelfen sei, damit Ki n der nicht geistig zu Schaden kämen. Die Anklage akzeptierte sie als G e schworene.
Die Verteidigung dagegen nicht. »Hast du irgendeine Affinität mit der Angeklagten, Roxanne Roc?« fragte Prinzessin Ida.
Rapunzel runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht, was du meinst. Ich kenne sie nicht einmal, nur vom Namen her.«
»Hast du dir ein Urteil darüber gebildet, ob sie in dieser Sache schuldig ist oder nicht?«
»Na ja, es muß ja wohl irgendeinen Grund geben, weshalb sie unter Anklage steht. Ich bin jedenfalls bereit, mir die Beweise anzuhören und danach zu entscheiden.«
Idas Mond schwang bedeutungsvoll herum. »Angenommen, man wü r de dir einen solchen Verstoß vorwerfen?«
»Einspruch!« rief Grey. »Die Geschworene steht nicht unter Anklage.«
»Es geht hier um ihre Grundeinstellung und darum, was sie glaubt«, erwiderte Ida.
Der Richter zuckte die Schultern. »Abgelehnt. Die Geschworene soll antworten.«
Rapunzel reagierte schockiert. »Aber ich würde doch niemals…?«
»Trotzdem bist du bereit zu glauben, daß ein Vogel, den du gar nicht kennst, dazu imstande wäre?« fragte Ida, und ihr Mond sah trübe aus.
»Das habe ich nicht gesagt! Aber wenn das Beweismaterial…«
»Einspruch«, warf Grey ein. »Die Verteidigung schüchtert die G e schworene ein.«
Der Richter schlug mit dem Hammer auf seinen Tisch. Es war ein e x plosives Geräusch. »Zur Bank!«
Grey und Ida traten an die Richterbank. »Worauf willst du hinaus, Ve r teidigung?« fragte Fetthuf.
»Meine Mandantin hat das Recht, von einer Jury aus Artgenossen g e hört zu werden«, erklärte Ida. »Rapunzel ist bestimmt eine nette Person, aber ihre Perspektive ist die einer gewöhnlichen Einwohnerin Xanths, nicht die eines isolierten Roc. Folglich ist sie auch keine Artgenossin.«
Der Richter sah tatsächlich leicht beeindruckt aus. »Wodurch würden sich deiner Auffassung nach Artgenossen qualifizieren?«
»Das könnte ein Flügelungeheuer sein oder jemand, der vom restlichen Xanth isoliert ist.«
»Aber das würde doch so gut wie jeden ausschließen!« protestierte Grey.
»Nein, ich könnte innerhalb dieser Gruppe durchaus zwölf oder mehr qualifizierte Geschworene akzeptieren.«
Fetthuf nickte. »Einwand stattgegeben.« Dann sah er Grey an. »Hast du irgendwelche Einwände gegen einen Geschworenenrat aus Flügelu n geheuern und isolierten anderen Wesen, vorausgesetzt, es ist eine ausre i chende Anzahl vorhanden?«
Grey zuckte die Schultern. »Keine Einwände, Euer Ehren. Vorausg e setzt, sie akzeptieren die Erwachsenenverschwörung.«
»Also gut. Das sollte den Auswahlprozeß vereinfachen. Weiterm a chen.«
Doch in diesem Augenblick begann das Schloß zu wackeln. Ein leises Heulen ertönte, dann legte sich der Boden langsam schräg.
»Was ist hier
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