Volk der Finsternis - Horrorgeschichten (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)
aber auf Adam Falcons Bett lag keine Leiche mehr.
»Gott sei uns gnädig!«, stieß Tom Leary hervor. »John Gower, du bist ein Sohn der Hölle – was ist das für ein Teufelswerk?«
Gower blickte auf.
»Ich habe es dir gesagt«, brüllte er. »Sie wusste es – ich wusste es – dieses kalte Ungeheuer, das die spottenden Wellen an Land getragen haben, war nicht Adam Falcon! Sein Körper war von irgendeinem Dämon besessen! Hör mir zu! Ich bin zu Bett gegangen und habe versucht, zu schlafen. Aber ich musste andauernd daran denken, dass dieses liebe Mädchen neben diesem kalten, unmenschlichen Ding sitzt, von dem alle glaubten, es sei ihr Geliebter, und schließlich bin ich wieder aufgestanden und habe durch das Fenster dort geschaut. Margaret saß da, sie war eingeschlafen, und die anderen, diese Narren, haben sich irgendwo im Haus schlafen gelegt. Und dann sah ich …«
Er schüttelte sich, als ihn ein eiskalter Schauer durchfuhr.
»Dann sah ich, wie Adam die Augen öffnete, und sein Körper erhob sich, ganz heimlich, von dem Bett, auf dem er gelegen hatte. Ich stand wie erstarrt vor dem Fenster, völlig hilflos, und das widerliche Wesen fiel mit ausgestreckten, schlangenähnlichen Armen über das unwissende Mädchen her, und in seinen Augen brannte ein höllisches Feuer. Dann wachte Margaret auf und schrie, und dann – heilige Maria, Mutter Gottes! – schlang der Tote seine entsetzlichen Arme um sie, und sie starb ohne einen weiteren Laut.«
Gowers Stimme verwandelte sich in unverständliches Gebrabbel, und wie eine Mutter ihr Kind schaukelt, wiegte er die tote Frau sanft hin und her.
Tom Leary schüttelte ihn. »Wo ist Adams Leiche?«
»Er ist in die Nacht hinaus geflohen«, antwortete John Gower tonlos.
Verstörten sahen die Männer einander an.
»Er lügt«, murmelten sie in ihre dichten Bärte. »Er selbst hat Margaret getötet und die Leiche irgendwo versteckt, um uns diese absurde Geschichte auftischen zu können.«
Ein tiefes Knurren erschreckte die Anwesenden, und wie auf ein Kommando drehten sie sich um und blickten hinüber zum Henkershügel oberhalb der Bucht, auf dem das bleiche Skelett von Lügenmaul Canool im Licht der Sterne glänzte.
Sie befreiten das Mädchen aus Gowers Armen, der sie eng umklammert hielt, und legten sie vorsichtig auf das Bett zwischen die Kerzen, die für Adam Falcon bestimmt gewesen waren. Ganz still lag sie da, kreideweiß, und die Männer und Frauen flüsterten sich zu, dass sie eher aussah, als sei sie ertrunken, nicht, als sei sie zu Tode gedrückt worden.
Wir stützten John Gower, während wir ihn durch die Straßen der kleinen Stadt führten. Er widersetzte sich nicht. Vielmehr schien es, als wandle er in Trance. Er murmelte ständig etwas vor sich hin.
Am Marktplatz blieb Tom Leary stehen.
»Das ist wirklich eine seltsame Geschichte, die John Gower uns da erzählt hat«, begann er, »und zweifellos ist sie gelogen. Aber trotzdem – ich bin kein Mann, der einen anderen aufknüpft, wenn er sich nicht völlig sicher ist. Lasst ihn uns im Lagerhaus dort einsperren, während wir nach Adams Leiche suchen. Wir haben hinterher noch genügend Zeit, ihn aufzuhängen.«
So geschah es, und bevor wir uns zum Gehen wandten, drehte ich mich noch einmal zu John Gower um, der zusammengekauert, mit dem Kopf auf der Brust, dasaß – wie ein Mann, der des Lebens müde ist.
So suchten wir entlang der dunklen Kaimauern, auf den Dachböden der Häuser und zwischen gestrandeten Bootswracks nach der Leiche von Adam Falcon. Unsere Suche führte uns hinauf in die Hügel hinter der Stadt, wo wir kleinere Gruppen und Paare bildeten und uns über die karge Landschaft verteilten.
Mein Begleiter war Michael Hansen, und wir hatten uns bald so weit von einander entfernt, dass ich ihn in der Dunkelheit nicht erkennen konnte, als er plötzlich einen Schrei ausstieß. Als ich zu ihm rannte, verwandelte der Schrei sich in ein Kreischen, das schließlich erstarb und sich in der unheimlichen Stille auflöste. Michael Hansen lag tot auf der Erde. In der Finsternis schlich eine dunkle Gestalt davon, als ich vor der Leiche stand und sich jedes meiner Haare einzeln aufstellte.
Tom Leary und die anderen kamen angelaufen, scharten sich um uns und fluchten, John Gower habe auch diese Tat begangen.
»Er ist irgendwie aus dem Lagerhaus entkommen«, vermuteten sie, und wir kehrten so schnell wir konnten in die Stadt zurück.
Und bei Gott, John Gower war aus dem Lagerhaus entkommen, er war dem
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