Volkssagen, Maerchen Und Legenden
Thür, die er vorher gar nicht gesehen hatte, hinter ihm zu.
Er faßte nach seinem Hute und die wunderschöne Blume, die er seiner Braut hatte geben wollen, war fort; sie war herabgefallen beim Stolpern. Urplötzlich stand vor ihm ein Zwerg: »wo hast du die Wunderblume, die du fandest?« – »Verloren;« sagte traurig der Schäfer. »Dir war sie bestimmt – sagte der Zwerg – und sie ist mehr werth, als die ganze Rotenburg.«
Traurig geht der Schäfer am Abend zu seiner Braut und erzählte ihr die Geschichte von der verlorenen Wunderblume, beide weinen; denn Hüttchen und Hochzeit waren wieder verschwunden. Endlich denkt der Schäfer wieder an seine Steine und wirft sie scherzend seiner Braut auf den Schooß und – siehe, es waren lauter Goldstücke. Nun kauften sie sich ein Hüttchen und ein Stück Acker dazu, und in einem Monat waren sie Mann und Frau. – Und die Wunderblume? die ist verschwunden und wird von Bergleuten noch bis auf den heutigen Tag gesucht, in den Gewölben des Kyffhauses nicht allein, sondern auch, da verborgene Schätze rücken, auf der Quästenburg und selbst auf der Nordseite des Harzes. Bis jetzt soll der Glückliche, dem sie bestimmt ist, noch kommen.
4. Der Ziegenhirt.
Peter Klaus, ein Ziegenhirte aus Sittendorf, der seine Heerde am Kyffhäuser weidete, pflegte sie am Abend auf einem mit altem Gemäuer umschloßnen Platz ausruhen zu lassen, wo er die Musterung über sie hielt. Seit einigen Tagen hatte er bemerkt, daß eine seiner schönsten Ziegen bald nachher, wenn er auf diesen Platz gekommen war, verschwand und erst spät der Heerde nachkam. Er beobachtete sie genauer und sah, daß sie durch eine Spalte des Gemäuers durchschlüpfte. Er wand sich ihr nach, und traf sie in einer Hölung, wo sie fröhlich die Haferkörner auflas, die einzeln von der Decke herabfielen. Er blickte in die Höhe, schüttelte den Kopf über den Haferregen, konnte aber durch alles Hinstarren nichts weiter entdecken. Endlich hörte er über sich das Wiehern und Stampfen einiger muthigen Hengste, deren Krippe der Hafer entfallen mußte.
So stand der Ziegenhirte da, staunend über die Pferde in einem ganz unbewohnten Berge. Da kam ein Knappe und winkte schweigend ihm zu folgen. Peter stieg einige Stufen in die Höhe und kam, über einen ummauerten Hof, an eine Vertiefung, die ringsum von hohen Felsenwänden umschlossen war, in welche, durch überhangende dickbelaubte Zweige, einiges Dämmerlicht herab fiel. Hier fand er, auf einem gut geebneten, kühlen Rasenplatze, zwölf ernste Rittermänner, deren keiner ein Wort sprach, beim Kegelspiel. Peter wurde schweigend angestellt, um die Kegel aufzurichten.
Anfangs that er dies mit schlotternden Knien, wenn er, mit halbverstohlenem Blick, die langen Bärte und die aufgeschlitzten Wänste der edeln Ritter betrachtete. Allmälig aber machte die Gewöhnung ihn dreister, er übersah alles um sich her mit festerem Blick und wagte es endlich, aus einer Kanne zu trinken, die neben ihm hingesetzt war und aus welcher der Wein ihm lieblich entgegenduftete. Er fühlte sich wie neu belebt und so oft er Ermüdung spürte, holte er sich aus der nie versiegenden Kanne neue Kräfte. Doch endlich übermant' ihn der Schlaf.
Beim Erwachen fand er sich auf dem umschloßnen grünen Platz wieder, wo er seine Ziegen ausruhen zu lassen pflegte. Er rieb die Augen, konnte aber weder Hund noch Ziegen entdecken, staunte über das hochaufgeschoß'ne Gras und über Sträucher und Bäume, die er vorher hier noch nie bemerkt hatte. Kopfschüttelnd ging er weiter, alle die Wege und Stege hindurch, die er täglich mit seiner Heerde zu durchirren pflegte; aber nirgends sah er eine Spur von seinen Ziegen. Unter sich sah er Sittendorf, und endlich stieg er, mit beschleunigtem Schritte, herab, um hier nach seiner Heerde zu fragen.
Die Leute, die ihm vor dem Dorfe begegneten, waren ihm alle unbekannt, waren anders gekleidet und sprachen nicht so, als seine Bekannten; auch starrten sie ihn alle an, wenn er nach seinen Ziegen fragte und faßten sich an das Kinn. Endlich that er, fast unwillkührlich, eben das und fand, zu seinem Erstaunen, seinen Bart um einen Fuß verlängert. Er fing an, sich und die ganze Welt um sich her für verzaubert zu halten; und doch kannte er den Berg, den er herabgestiegen war, wohl als den Kyffhäuser, auch waren ihm die Häuser mit ihren Gärten und Vorplätzen alle wohl bekannt. Auch nannten mehrere Knaben, auf die Frage eines Vorbeireisenden, den Namen:
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