Voll erwischt
mir wirklich sehr viel Spaß gemacht», sagte sie, als er sie vor ihrer Tür absetzte. «Genau, was ich brauchte. Ich fühle mich, als hätte ich ein Gespenst ausgetrieben.»
Sam konnte es sich nicht verkneifen. «Hurra!» sagte er.
Beim nächstenmal würden sie über Frauen reden, über Feminismus und das alles. Weiß der Himmel, wann sie endlich zum Schnuppern kamen. Zunächst mußte er beweisen, daß er kein Frauenfeind war.
Es hatte mal eine Zeit gegeben, als sich diese Frage nie stellte. Jetzt aber stand sie ständig im Raum, bei jeder Frau, die man kennenlernte. Wie eine Hürde, die man erst mal nehmen mußte. Sam hatte über das Thema diskutiert und gewonnen, und er hatte darüber diskutiert und verloren. Manchmal wußte er nicht, ob er nun ein Frauenfeind war oder nicht. Alles war so kompliziert, die Prozesse und Verleugnungen, die man durchmachte, wenn man tatsächlich ein Frauenfeind war, daß man gut und gern der letzte sein konnte, der davon erfuhr. Nur in einem einzigen Punkt war Sam sich absolut sicher: er wollte kein Frauenfeind sein. Aber mehr als eine Frau hatte ihm gesagt, dies liege daran, daß er der Tatsache nicht ins Auge blicken könnte, einer zu sein.
Himmel, wenn sie damit anfingen, fragte er sich, warum war er nicht Mönch geworden. Und den jüngeren Typen in der Männergruppe fiel es auch nicht leichter, sich selbst zu entmannen. Wenn überhaupt, dann war’s für sie noch schwerer. Sie konnten sich nicht an die Zeit erinnern, bevor diese Diskussion aufkam, an die gute alte Zeit, als ein Mann sich auf einen Funken Gewißheit verlassen konnte.
Aber er schüttelte den Kopf. Er wollte nicht zurückgehen. So schmerzhaft das alles auch war, es war nur zum Guten. Wer weiß, vielleicht kam mal eine Zeit, in der eine ganze Frauengeneration nicht diskriminiert wurde? Alles war möglich.
In der Bücherei in Leicester fand er die amtliche Geburtsurkunde von Selina White. Sie war am 24. Juni 1964 geboren. Er notierte sich die Namen ihrer Mutter und ihres Vaters zusammen mit ihren Anschriften. Im Wählerverzeichnis wurden sie nicht mehr geführt.
Sam nahm Barney mit, als er zu der Adresse auf der Geburtsurkunde fuhr. «Ich suche Mr. und Mrs. White», erklärte er der Frau, die auf sein Klopfen öffnete.
Sie machte die Tür nur einen Spaltbreit auf. Sam sah zwar ihre Augen und Nase, aber nur einen Teil ihres Mundes. Die Frau schaute auf Barney hinab und schien beruhigt zu sein, öffnete die Tür weitere drei, vier Zentimeter. « Er ist tot, glaube ich », sagte sie. «Über die Frau kann ich Ihnen nichts sagen. Sie war im Krankenhaus. Irgend so was. Wegen einer Nervensache.» Sie drückte die Tür wieder mehr zu. «Sind Sie ein Verwandter?»
«Ich versuche, ihre Tochter zu finden», sagte er. «Selina.»
«Glaube nicht, daß sie so hieß», erwiderte die Frau. «Da gab es zwar eine Tochter, aber das war nicht ihr Name. Versuchen Sie’s mal mit der übernächsten Tür», sagte sie. Wieder schaute die Frau Barney an und schnalzte lockend mit der Zunge. Barney sah zu ihr auf, aber sie war bereits fort und die Tür fest geschlossen.
Sam klopfte an die übernächste Tür, und ein etwa sechzigjähriger Mann öffnete. «Wir kaufen nichts», sagte er. Er hatte einen schwabbeligen kleinen Spitzbauch, und sein Kopf befand sich auf einer Höhe mit Sams Schultern.
«Kann ich Ihnen nicht verdenken», sagte Sam. «Ich suche eine gewisse Mrs. White.»
«Da unterhalten Sie sich besser mit meiner Frau», sagte er. Er verschwand im Haus, ließ aber die Tür offen. Einen Augenblick später tauchte seine Gemahlin auf, eine kleine drahtige Frau etwa im gleichen Alter.
«Sie suchen Joan White?» fragte sie.
«Wissen Sie, wo ich sie finden kann?»
«Sie ist in der Nervenheilanstalt», antwortete die Frau. «Ist mit Georges Tod nicht fertig geworden.»
«Eigentlich möchte ich mich mit ihrer Tochter in Verbindung setzen», sagte Sam. «Heißt sie Selina?»
«Selina? Von der weiß ich nichts. Louise, die jüngste, die lebt noch hier in der Gegend.» Die Frau kratzte sich am Kinn. «Selina», sagte sie. «Ach, die hatte ich völlig vergessen. Ein richtig hübsches kleines Ding. Es heißt, sie ist nach London gegangen. Sie war noch ein Kind.»
«Dann eben Louise», sagte Sam. «Wissen Sie, wo sie wohnt?»
Die Frau schüttelte den Kopf. «Ich sehe sie manchmal in der Stadt. Hat zwei Kinder. Aber sie erinnert sich nicht mehr an mich.»
«Sie wissen nicht zufällig, wie ich sie erreichen könnte?» fragte
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