Vollendung - Thriller
gehandhabt werden. Wenn Gates glaubt, ich kann der Ermittlung in Quantico besser dienen, wird er mich dort behalten wollen, damit ich helfe, alles zu überwachen. Je nachdem, was passiert, gibt es eine gute Chance, dass er mich irgendwann wieder zurückhaben will.«
»Wäre es dann, unter uns gesagt, in Ordnung für Sie, wenn ich Gates persönlich bitten würde, Sie ins Bostoner Büro versetzen zu lassen und Sie dann von der Außenstelle Providence arbeiten lasse – natürlich nur vorübergehend?«
»Ich wäre lieber vor Ort, ja. Ich kann am meisten im unmittelbaren Außendiensteinsatz leisten.«
»Gut. Wir werden Sie bei der Sache brauchen.«
»Okay.«
»Und danke, Sam.«
»Okay.«
Burrell legte auf, aber Markham vergaß ganz, sein Handy zu schließen. Denn einmal mehr fand sich der Special Agent sofort von Catherine Hildebrants Die im Stein schlafen hypnotisiert – nur waren es diesmal nicht die entschlossenen Augen des David , die seinen Blick gefangen hielten. Nein, auf der Seite, zu der er während seines Gesprächs mit Burrell absichtlich geblättert hatte, war ein Bild von Michelangelos zweiter großer Skulptur zu sehen.
Hier, in Markhams Schoß, lag die Römische Pietà.
15
N ackt auf dem Diwan ausgestreckt, ließ der Bildhauer den letzten Schluck des Brunello in seinem Gaumen spielen – die Geschmeidigkeit und fruchtige Wärme der Sangiovesertraube paarte sich herrlich mit der Restwärme vom Kamin, wie er fand. Es war schon spät, und er war schläfrig; er fühlte sich so entspannt, als würde er schweben – die leise Klassikmusik umschmeichelte ihn wie ein eigens für ihn komponiertes Salinenbad. Der Bildhauer hatte sich zur Feier des Tages ein Abendessen mit Lamm und Risotto gestattet – eine nette Abwechslung zu all den Proteindrinks und Nahrungsergänzungsmitteln, die den Großteil seiner Ernährung ausmachten. Ja, er hatte sich diese Schlemmerei verdient – das deftige Lamm, den schweren Wein, das kohlehydratreiche Risotto –, aber das bedeutete, er würde morgen doppelt so schwer im Keller trainieren müssen, beim Bankdrücken zehn Pfund extra an jede Seite der Hantelstange stecken, denn Montag war sein Brust-, Rücken- und Schulterntag.
Während der letzte Rest Feuer verglomm, in dem die Entwürfe für den Bacchus längst zu Asche zerfallen waren, seufzte der Bildhauer schwer, weil er sich nun erheben musste. Die Standuhr in der Ecke machte auf die halbe Stunde aufmerksam – 23.30 Uhr –, aber der Bildhauer wäre gern für immer auf dem Diwan liegen geblieben; er hätte sich gern noch ein wenig länger in diesem Augenblick des Triumphs gesonnt.
O ja, es war ein schöner Abend gewesen. Nachdem er seinem Vater das Abendessen gegeben und ihn zu Bett gebracht hatte, hatte der Bildhauer, während das Lamm briet und das Risotto vor sich hin köchelte, eine Stunde in der Bibliothek verbracht. Er hatte nackt, mit den Füßen auf dem Schreibtisch, in dem großen Ledersessel gesessen, hatte von einem Rest Amarone genippt und an einem Stück Parmesan geknabbert. Eine ganze Reihe Bücher wanderte durch seine Finger, hauptsächlich ältere italienische Ausgaben, deren Seiten bei den Lieblingspassagen des Bildhauers längst Eselsohren aufwiesen – Boccaccio, Dante, Macchiavelli. Er las sie langsam, manchmal zweimal, genoss die Sprache mit einem Schluck Wein oder einem Stück Käse, und ging dann zu einem anderen weiter, während im Hintergrund eine Serenade von Tomaso Albinioni lief. Es war die alte, liebgewonnene Gewohnheit, die der Bildhauer jedoch wegen seiner Arbeit im Kutschhaus zuletzt vernachlässigt hatte. Und in der Bibliothek stapelten sich die Bücher an manchen Stellen bis zur Körpergröße des Bildhauers.
Es war weit nach acht, als sich der Bildhauer schließlich mit seinem Lamm und dem Brunello zu Tisch setzte – das Feuer prasselte und bettelte förmlich um den Bacchus . Deshalb warf er die Rolle auch ohne besondere Feierlichkeiten in die Flammen – denn seine Gedanken waren bereits bei seiner nächsten Skulptur. Und so saß er allein mehr als drei Stunden lang da, aß das Lamm und trank den Wein, während die Musik aus der Bibliothek zu einer Filmmusik für seine Gedanken wurde – für das, was sich seiner Vorstellung nach draußen abspielte, nun, da die Welt seinen Bacchus empfangen hatte, und für das, was sich seiner Fantasie nach abspielen würde, wenn sie seine nächste Skulptur empfing.
Bald, dachte der Bildhauer. Sehr, sehr bald.
Nachdem er sein Mahl
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