Vollmachten unbegrenzt
Sache wäre. Mit den Ärzten der raummedizinischen Station hatte ich hitzige Debatten über den Fall »Antischwere-Koller« geführt. Sie wußten alle, daß ich mein Versagen für eine kurzfristige Schwäche hielt und gehalten hatte. Sie bemühten sich, mich schonend zu belehren. Einige Schleimlecker katzbuckelten und pflichteten mir bei.
Ich hatte noch eine Stunde zu warten. Dann kam gegen sieben Uhr die erste Meldung aus der Werksklinik. Eine junge Ärztin erschien auf dem Schirm. Sie gehörte zu den weitläufigen eingeweihten Medizinern und nannte sich Dr. Myrl Swizer.
»Sir, soeben sind fast gleichzeitig acht Fälle von TB eingeliefert worden. Die Leute kamen teilweise mit Fahrzeugen, andere wurden von besorgten Kollegen gebracht. Neue Meldungen aus den einzelnen Fabriken und Labors liegen schon vor. Als diensthabender Arzt habe ich angeordnet, jeden Menschen mit Abzehrungssymptomen sofort einzuliefern. Die Kollegen und Dr. Presped sind benachrichtigt worden. Große Aufregung.«
Ich sah das klare, etwas herb gezeichnete Gesicht auf der Bildfläche. Dr. Myrl Swizer schien in keiner Weise von der TB-Seuche überrascht zu sein, obwohl sie dahingehend nicht informiert worden war. Ich hatte den sechs Medizinern nur gesagt, daß bald eine Röntgen-Reihenuntersuchung aller Belegschaftsmitglieder stattfinden würde. Wieso konnte sie unter solchen Umständen derart sachlich und fast gleichmütig über die ersten Fälle von schwerster, offener Tb sprechen?
Ein verantwortungsvoller Arzt, dem entsprechende Vorerklärungen völlig fehlen, wird wohl kaum so nüchtern und selbstverständlich bleiben. In dieser Weise unbefangen, wird er wohl mit größter Aufregung pflichtgemäß das überraschende Auftauchen der offenen Tuberkulose melden. Sie war mir zu ruhig, zu nett lächelnd und zu klar in den Ausführungen!
Eine heiße Welle brandete in mir auf. Ich bemühte mich, die Fassung zu wahren.
»Tb …?« antwortete ich gedehnt und etwas besorgt. »Woher wollen Sie das wissen, Doktor?«
Sie lachte leise.
»Ich bin Arzt, Sir. Ein Blick genügt. Außerdem habe ich bereits Lungenbilder anfertigen lassen.«
»Sie arbeiten schnell, Doktor, wie?« lächelte ich maskenhaft. »Wie kann es zu solchen Fällen kommen? Ich dachte, die Tb wäre längst besiegt. Wie viele Meldungen über plötzliche Erkrankungen wollen Sie vorliegen haben?«
Sie sah nach unten. Wahrscheinlich hatte sie auf dem Tisch Notizen liegen. Sie sprach von der großen Klinik aus.
»Soeben kommen noch weitere Meldungen. Damit sind es jetzt neunzehn Fälle. Die Infektion scheint mit unbegreiflicher Schnelligkeit auszubrechen.«
»Wieso? Verstehe ich nicht! Ich dachte, es kämen nur kerngesunde Menschen ins Werk. Sie müssen sich mit der Tb irren, Doktor.«
»Überzeugen Sie sich selbst, Sir. Ich werde Ihnen gern entsprechendes Nachschlagematerial zur Verfügung stellen. Außerdem –«, sie zögerte und fuhr dann lächelnd fort, »außerdem scheint mir, als wären Sie darüber viel besser informiert als ich.«
»Wissen Sie eigentlich, was Sie da aussprechen?« fragte ich scharf.
»Ich glaube schon«, meinte sie. »Hatten Sie uns nicht über eine bevorstehende Reihenuntersuchung informiert?«
»Und was zum Teufel, hat das mit der plötzlichen Tb zu tun?« fuhr ich auf. »Die Untersuchung sollte aus anderen Gründen erfolgen. Es ist zu organischen Veränderungen infolge harter Strahlungen gekommen. Keine Mutationen, aber Modifikationen. Die Sache sollte geheim bleiben, deshalb Ihre Vereidigung.«
»Nun, dann bitte ich um Entschuldigung«, entgegnete sie etwas blaß. Ich konnte es auf dem farbigen
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