Vollmondfieber: Roman (German Edition)
sorgte unbarmherzig dafür, dass meine Bemühungen Wirkung zeigten. Es war, als würde ich mich gegen ein gewaltiges Gummiband stemmen. Ich hatte keine Ahnung, ob ich Boden gewann. Mal ging es in diese, mal in jene Richtung, während die Wölfin und ich um die Vorherrschaft kämpften. Ich warf letzte zusätzliche Energie in den Machtkampf zwischen uns, und ein lautes, reißendes Geräusch hallte durch meine Sinne, als würde ein riesiger Bogen Papier entzweigerissen. Mein Verstand teilte sich und hing doch zusammen, wie ein Fotonegativ und ein Abzug, der Abzug grau, das Negativ schwarz: Beide Teile zeigten immer noch dasselbe Bild, das nun aber vollends separiert in zweifacher Ausfertigung vorhanden war.
Keine Zeit, mir darüber den Kopf zu zerbrechen.
Ich hatte die Oberhand gewonnen, das war alles, was zählte.
Ich sprang auf und setzte mich in Bewegung. Jetzt bin ich am Ruder, klar? Meine Wölfin war immer noch in mir, saß aber nun hinter einer trüben Barriere, die es einen Moment zuvor noch nicht gegeben hatte. Der Kampf gegen Menschen und Kobolde ist meine Sache, erklärte ich ihr, während ich zwischen den geparkten Fahrzeugen hindurchschlüpfte. Du kannst die bösen Werwölfe haben.
Meine Wölfin heulte frustriert.
Wir beide versuchen gerade, zu einem harmonischen Miteinander zu finden. Also zögere nicht, einem Mädchen in Not zu helfen! Ich hielt inne und kauerte mich hin. Ich war noch eine Wagenlänge von Drake und Jen entfernt. Er hatte ihr eine schmierige Hand über den Mund gelegt, während die andere ihre Körpermitte fest umfasst hielt. Er war voll und ganz beschäftigt.
Ich schob mich an die Stoßstange heran. So sehr ich danach gierte, mich auf ihn zu stürzen, musste ich doch die Ruhe bewahren. Wir konnten Drake nur festnageln, wenn wir alles bekämen, was es an Beweisen gab. Spränge ich zu früh los, würde er, umso mehr, da er die Gabe der Überzeugungskunst besaß, Jen mühelos die Vorstellung vermitteln können, es wäre gar nichts passiert, und straffrei davonkommen. Das konnte ich nicht riskieren.
Jen trat tapfer nach ihm, rammte ihm wieder und wieder den Kopf gegen die Schulter. Sie war eine gute Kämpferin. Das half mir, mich zurückzuhalten und ihn nicht auf der Stelle anzugreifen. Drake fiel es offenkundig nicht leicht, Jen festzuhalten. Schließlich packte er ihr Gesicht und zischte ihr etwas ins Ohr. Sofort hörte sie auf, sich zu bewegen.
Er scheuchte sie zurück zu seinem Wagen.
Ich folgte ihnen in kurzem Abstand, tief geduckt und außer Sichtweite, als ich Nick auf der anderen Straßenseite sah. Er kam gerade zur rechten Zeit. Leise vor sich hinpfeifend, lieferteer das Bild eines Mannes, der nach einem Kinobesuch auf dem Rückweg zu seinem Auto war. Drake sah ihn sofort, änderte seine Pläne umgehend und machte kehrt, Jen immer noch in den Armen. Er hielt auf den Hügel zu, um sich außer Sichtweite zu bringen, genau wie wir vermutet hatten.
Drake dürfte selbst jetzt, wo sein Verstand von sexueller Lust vernebelt war, einen Alternativplan parat haben. Gelang es ihm nicht, sein Opfer rechtzeitig zu seinem Wagen zu bringen, so würde ihm der Hügel Deckung vor Störungen durch Passanten bieten. Genau das war wohl auch der Grund, warum er dieses spezielle Kino ausgewählt hatte.
Nur hatte er keine Ahnung, dass der einzige weibliche Werwolf auf dem ganzen Planeten hinter ihm her war.
In dem Moment, in dem er außer Sicht war, stürzte ich los. Ich hörte einen leisen Aufschrei, gefolgt vom Geräusch eines Körpers, der auf dem Boden aufschlug, sprang über den Bordstein und hoch in die Luft. Ich überwand den Hügel in einem einzigen Satz. Drake war bereits über Jen. Aus meinem Blickwinkel war nicht klar zu erkennen, ob er nur versuchte, sie am Schreien zu hindern, oder ob er seine Lust gleich an Ort und Stelle befriedigen wollte.
Mir war es gleich. Einen Herzschlag später hatte ich mich bereits auf ihn gestürzt.
Ich traf ihn hart, krachte von der Seite in ihn, und wir flogen beide durch die Luft. »Nimm das, Arschloch!«, knurrte ich. Ich rollte mich ab und war gleich wieder auf den Beinen. Drake kam genauso schnell wieder hoch, knurrte mich seinerseits an. Dabei offenbarte er einen Satz fleckiger, vergilbter Zähne, die bemerkenswert scharf aussahen.
Hm, vielleicht hatte er doch mehr von einem Kobold in sich, als wir ursprünglich angenommen hatten.
Er gab ein zorniges Geheul von sich und kam mit beeindruckender Geschwindigkeit auf mich zu, war aber immer
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