Vollstreckung - Sturm, A: Vollstreckung
haben nichts, aber auch gar nichts. Alle Spuren führen ins Leere. Ich weiß im Moment auch nicht, wo wir jetzt noch ansetzen sollten. Hat von euch noch jemand einen Vorschlag?«
Jan zögerte kurz, doch dann sagte er: »Ich weiß, es ist weit hergeholt, aber es gibt Morde, wo das Opfer willkürlich vom Mörder ausgewählt wird. Das ist zwar sehr selten, aber es kommt vor.«
»Du denkst jetzt an einen irren Serienmörder?«, fragte Sandra.
»Zum Beispiel, aber es gibt noch andere Motive: Aufnahmerituale in Sekten oder ähnlichen Gruppen.«
Karin setzt ihre Lesebrille ab und rieb sich die Augen, dann sah sie Jan an und sagte: »Ich denke eher nicht, dass das bei unserem Mord der Fall ist, aber ausschließen können wir es nicht. Sag mal, du bist doch mit einem Kollegen befreundet, der sich mit Sektenkriminalität auskennt?«
»Ja, wir waren zusammen auf der Polizeischule. Wenn es dir recht ist, werde ich ihn morgen ansprechen und aushorchen, ob irgendwelche Aktivitäten von Satanisten oder anderen Vereinigungen in Dresden laufen, die eventuell Bezug zu unserem Fall haben könnten.«
»Ja, mach das bitte. Da wir gar nichts haben, müssen wir nach jedem Strohhalm greifen. Ich schlage vor, dass wir jetzt Feierabend machen und erst mal abschalten, um den Geist freizubekommen. Für morgen bitte ich alle, sich noch einmal intensiv durch alle den Fall betreffenden Akten zu kämpfen. Wir haben etwas übersehen und das müssen wir finden.«
Nach diesen abschließenden Worten von Karin löste sich die Runde auf und Jan und Steffen verließen den Versammlungsraum. Als sich die Tür hinter den beiden geschlossen hatte, wollten sich auch Karin und Sandra zum Gehen rüsten, da pochte es und ohne ein ›Herein‹ abzuwarten, betrat Kriminalrat Haupt den Raum.
»Das habe ich mir doch gleich gedacht, als ich Steffen und Jan den Gang entlang laufen sah, dass ich die Damen hier noch antreffe.« Haupt setzte sich mit einer Hinterbacke so auf den Schreibtisch, dass er die beiden Kommissarinnen im Blick hatte.
»Ich war heute bei deinem Lieblingsstaatsanwalt, Karin. Ich habe auf den Busch geklopft, um zu erfahren, wieso er bei Frau König und dir aufgekreuzt ist, um etwas über unseren aktuellen Fall zu erfahren.«
Karins Müdigkeit war verflogen, ihre Körperhaltung spiegelte die Spannung mit der sie Haupts Ausführungen folgte, wieder.
»Reiter redete viel, meist nur den üblichen Unsinn, er wolle unterstützen, aber das kennt man ja. Zwischen seinen Worten kristallisierte sich aber nach und nach der wahre Beweggrund heraus. Der Fall versprach Publicity und darauf ist Reiter seit eh und je scharf. Zudem wusste er, dass du, Karin, die Ermittlungsleiterin bist und da konnte er sich an fünf Fingern abzählen, dass er nicht viel Arbeit damit hat. Du hättest ihn, wie es deine Art ist, sowenig wie möglich mit einbezogen. Aber nach erfolgreicher Aufklärung hätte Reiter ein neues Blatt in seinen Lorbeerkranz flechten können. Er ist richtig sauer, dass Staatsanwältin Faust den Fall bekam.«
Haupt schwang sich vom Schreibtisch und ging zur Tür, doch nach einem Schritt drehte er sich um und sagte betont emotionslos: »Übrigens hat sich Staatsanwalt Reiter über dich beschwert, Karin.«
Karin fuhr von ihrem Stuhl hoch, als hätte Haupt mittels Fernbedienung eine Feder in ihrem Stuhl aktiviert. »Das ist doch …!«
Haupt unterbrach sie: »Er meinte, du wärst unverschämt gewesen und das nicht zum ersten Mal.«
Karin setzte sich wieder. Sie dachte nach. Staatsanwalt Reiter konnte ihr nachdrücklich schaden. Jetzt musste sie Schadensbegrenzung betreiben. Warum konnte sie sich nur nie beherrschen? Karin nahm sich ohne viel Hoffnung, dass dies fruchten würde vor, in Zukunft vorsichtiger zu sein.
»Ich bin mir keiner Schuld bewusst. Ich habe dem Herrn Staatsanwalt nur mitgeteilt, dass er keine Auskünfte erhalten kann, da er nicht zuständig ist. Im Ton habe ich mich dabei nicht vergriffen.«
Hier mischte sich Sandra ein. »Das kann ich bezeugen. Karin hat sich korrekt verhalten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Staatsanwalt Reiter konkrete Kritikpunkte aufzählen kann.«
Sie schaute Haupt bei ihren Worten treuherzig in die Augen.
Um dessen Mundwinkel zuckte es verdächtig. »Gut, da hat Reiter bestimmt aus lauter Frust etwas fehlinterpretiert.«
Er wandte sich erneut zum Gehen, aber kurz vor der Tür drehte er sich wieder um und meinte: »Ich freue mich, dass sich die Damen schon nach dieser kurzen Zeit so gut ergänzen.
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