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Vom Dorf - Abenteuergeschichten zum Fest

Titel: Vom Dorf - Abenteuergeschichten zum Fest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Rávic Strubel
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geränderten Nägeln sahen sie nicht wie Verleger aus. Sie wirkten wie Menschen aus der Landwirtschaft, die ihren Beruf gewechselt hatten. Als sie mir einen Cappuccino und ein Stück Schwarzwälder |152| Kirschtorte anboten, lehnte ich nicht ab. Ich war durchgeforen, weil meine Heizung im Auto neuerdings immer ausfällt, und sie gaben mir eine ihrer Mohairdecken.
    Ihr Verlagskatalog war in einem Berg aus losen Blättern, Zigarettenpackungen und filigran geschnitzten Holzarbeiten vergraben. Diese Holzarbeiten fielen mir auf. Sie standen auch auf den Fensterbrettern, in Regalen und auf den Sprelakarttischen, sie steckten in Kartons oder lagen auf dem Fußboden, und einige besaßen bewegliche Mühlräder. Die beiden erklärten mir, es seien Modelle der Mühlen, Scheunen und Klosterruinen Brandenburgs. Es war erstaunlich, wie wirklichkeitsnah sie das mit ihren groben Händen zustande gebracht hatten. Und auf einmal begriff ich, was die durch einen niedrigen Holzzaun begrenzte Anlage in der Form eines verwackelten Eis vor dem Haus zu bedeuten hatte. Als ich ausstieg, hatte ich es für eine etwas ausgefallene Mini-Golf-Anlage gehalten. Sie war halb zugeschneit und von altem Herbstlaub bedeckt. Jetzt wurde mir klar, daß die beiden dort in maßstabsgerechter Verkleinerung das Land Brandenburg als einen Garten angelegt hatten, mit Alleen und Dörfern, mit dem Seengürtel um Potsdam, mit dem Fläming und den verwaisten Braunkohlegruben, sogar die Kanäle waren mit Wasser gefüllt, das jetzt gefroren war. Im Sommer wurden die Holzmodelle auf ihre maßstabsgerecht berechneten Koordinaten gestellt, und die Mühlräder bewegten sich.
    Der Gedanke der originalgetreuen Nachbildung gefiel mir so gut, daß wir ganz zwanglos zum Thema kamen. Ihnen konnte ich ehrlich von meinem Plan erzählen.
    Von ARS hatten sie bisher nichts gehört. Aber nach einem Blick ins Internet waren sie bei der Sache. Es brachte sie nicht in Verlegenheit, daß sie das Buch ohne Wissen der Autorin veröffentlichen sollten. »Na, wenn sie es nicht |153| wissen soll, dann müssen wir es ihr ja nicht sagen«, meinte der eine. Da es sich um eine Brandenburger Autorin handelte, war der Bezug zum Verlagsprogramm bereits gegeben, und das Risiko, das sie und ich eingingen, würde man sich teilen. An dieser Stelle entstand ein leichtes Unbehagen, das auf der Rückfahrt stärker wurde und auch jetzt noch nicht ganz verschwunden ist. Sie wollen zwanzigtausend Euro von mir.
    Das ist beinahe das gesamte Ersparte.
    In der Stille des Falkenhagener Forsts, als die Kälte an Nase und Wangen zwiebelte, kam mir nach einigem Nachdenken die Idee, das Haus wieder zu verkaufen. Der Makler würde sich freuen. Im Moment sind die Preise leicht gestiegen, und für ihn ist das eine Art Sport. Das Haus ist ohnehin zu groß für eine Person. Ein Zimmer von den Ausmaßen der Kammer unter dem Dach würde mir völlig genügen. Für eine Liege wäre noch ohne weiteres Platz. Ein extra Schlafzimmer ist unnötig, und wenn kein Besuch mehr kommt, wird auch ein Wohnzimmer überflüssig sein. Dieses Jahr wird es noch gebraucht, da der Baum nirgendwo sonst hineinpaßt. Im nächsten Jahr wird kein Baum mehr gekauft.
    Früher wäre ein zusätzliches Zimmer willkommen gewesen. Da wurden die Füße im Winter in ein Heizkissen gesteckt, weil es durch den verglasten Balkon, der als Arbeitszimmer herhalten mußte, überall durchpfiff. Es ist unsinnig, jetzt allein in vier Zimmern zu leben. Das Haus ist zu groß für diese Art eines improvisierten Zusammenseins, als das ich meine Verbindung mit ARS gern betrachte.
    Wenn es hart auf hart käme, könnte ich auch zu Sonja ziehen. Oder mich wenigstens mit ihr zusammentun.
    Sonja ist die einzige, die außer den Nepuzenern noch in das Vorhaben eingeweiht ist. Seither hat sie kein Geld |154| mehr verlangt. Wann immer ich versuchte, ihr einen Schein zuzustecken, nahm sie meine Hand, streichelte sie, legte den Schein schließlich zurück und schloß meine Finger fest darum. Ihr Bungalow liegt etwas außerhalb in einem Industriegelände. Er wäre groß genug für zwei. Wenn ich sie besuche, nehme ich den Sandweg, der an den Bahngleisen entlang um den Nymphensee herumführt. Er ist kaum befahren. Wenn wir spät verabredet sind, und es ist schon dunkel, stellt Sonja Kerzen in roten Plastikbehältern vor die Tür und der Weg leuchtet.
    Als Sonja eines Tages in einem billigen Samowar Schwarztee brühte, Tassen spülte und sich ein würziger Geruch im Zimmer ausbreitete,

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