Vom Internet ins Ehebett (German Edition)
und verkniffen. Aber auch nicht mädchenhaft prall. Richtige Männerlippen. Den Dreitagebart hatte er für die Reise abrasiert. Ich überlegte, wie es wohl wäre, diesen Mann zu küssen. Seine Lippen auf meinen zu spüren. Seine Hände würden mich an sich ziehen. Er hatte schmale, schöne, gepflegte Hände. Wie wäre es wohl, in seinen Armen zu liegen? Ihn zu fühlen. Seinen Geruch einzuatmen. Er roch gut. Das wusste ich. Ich hatte nicht umsonst stundenlang neben ihm in den engen Zugsitzen gesessen. Mir ist Geruch etwas sehr Wichtiges. Ganz besonders bei einem Mann.
Da wandte er mir sein Gesicht zu. Ein überraschter Ausdruck trat in seine Augen. Und dann erschien ein kleines,kaum merkliches Lächeln auf seinen Lippen. Er konnte doch unmöglich ahnen, was ich eben gedacht hatte! Ich spürte, wie ich rot wurde, und hielt es für an der Zeit, mich in meiner großen Tasche zu verkriechen. Ich hob sie auf meinen Schoß, senkte mein Gesicht und tat, als ob ich nach Taschentüchern suchte. Was war das für ein Blick! Er ging mir durch und durch. Und brachte längst vergessen geglaubte Saiten in mir zum Klingen.
Knappe zwei Stunden später waren wir in Wien. Das Hotel, in dem ich wohnen sollte, war im Prospekt des Kongresses empfohlen worden. Darum hatte unsere Sekretärin dort für mich das Zimmer reserviert. Wenig überraschend war Gregs Sekretärin derselben Empfehlung gefolgt.
»Es gibt keine Zufälle«, hörte ich Margarite Meiner sagen.
Da wir beide den Weg nicht kannten, nahmen wir ein Taxi. Der Empfangschef begrüßte uns herzlich und legte uns die Anmeldeformulare bereit: »Für die Herrschaften sind zwei Einbettzimmer reserviert worden«, sagte er mit Blick auf seinen Computer, »möchten Sie vielleicht ein Doppelzimmer stattdessen? Wir sind zwar so gut wie ausgebucht, aber ich könnte da noch etwas arrangieren.«
Greg grinste kurz und frech zu mir herüber und sagte dann in sachlichem Tonfall: »Nein, vielen Dank. Die beiden Einzelzimmer haben schon ihre Richtigkeit.«
Wäre ich nicht ohnehin schon verlegen gewesen, dieses Grinsen hätte mich verlegen gemacht. Wie schaffte es dieser Kerl bloß? Wir wollten doch beide nicht wirklich etwas voneinander. Sicher war seine Frau mindestens zehn Jahre jünger als ich.
»So, bitte sehr«, der Empfangschef überreichte uns die Schlüsselkarten, »Nummer 354 und 356. Dritter Stock. Die Zimmer liegen nebeneinander. Beide mit einem herrlichen Blick auf den Park.«
Sehr aufmerksam, dieser Herr. Er winkte dem Pagen, der sich um unser Gepäck kümmerte. Ich schritt an Gregs Seite zum Lift. Es war zwei Uhr nachmittags. Die Sonne schien. Es war ein warmer, strahlender Frühsommertag.
»Wie lange wirst du brauchen?«, fragte Greg, als wir vor unseren Türen standen. »Reichen fünfzehn Minuten? Dann hole ich dich ab.«
»Um was zu tun?«
»Ich denke, wir machen unsere erste Erkundungstour durch die Innenstadt. Du wolltest doch ins Sacher, nicht wahr? Am besten wir gehen zu Fuß. Wenn mich meine Orientierung nicht trügt, dann sind wir gar nicht weit weg vom Stephansdom. Aber ich kann für nichts garantieren. Also ziehst du dir besser bequeme Schuhe an.«
Ich stimmte zu und betrat fröhlich und beschwingt mein Zimmer. Laute Musik dudelte aus dem Fernseher. »Guten Tag, Frau Bonnewind« stand auf dem Bildschirm als Willkommensgruß. Ich war nicht Frau Bonnewind. Der eifrige Portier hatte wohl umdisponiert und mir ein anderes Zimmer gegeben, als ursprünglich geplant gewesen war. Damit ich neben Greg wohnen konnte. Wahrscheinlich dachte er, wir beide hätten etwas miteinander. Und wollten das aber nicht zugeben. Manchmal verließ auch die erfahrensten Hotelangestellten ihr sechster Sinn.
Ich machte mich frisch, hängte meine Röcke und Blazer in den Kleiderschrank und schlüpfte in die flachen Mokassins. So würde ich auch die weitesten Wege an diesem Nachmittag gut überstehen. Peter hatte stets darauf bestanden, dass ich Stöckelschuhe trug, wenn ich ihn begleitete. Es erschien ihm damenhafter. Da hatte er sicher Recht. Außerdem fand er es sexy, wenn ich in hohen Schuhen neben ihm stolzierte. Er fand, flache Schuhe und Baumwollunterwäsche seien die unerotischsten Erfindungen der Menschheit. Zumindest an flache Schuhe hatte ich mich inzwischen gewöhnt. Gut, dass ich Greg nicht zu gefallen brauchte. Meine Füße dankten ihm schon jetzt.
XVI
Und dann zogen wir los. Greg hatte sein Sakko mit einem dunkelblauen Polo-Shirt vertauscht. Seine langen Beine steckten
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