Vom Internet ins Ehebett (German Edition)
weiterhin in Jeans. An den Füßen trug er die Sneakers der angesagtesten Marke. Um die hätte ihn Sebastian glühend beneidet. Während es Tim egal war, was er an den Füßen trug, solange er damit Fußball spielen und im Garten graben konnte, hatte sein Bruder einen Schuhtick. Wollte man ihm eine Freude machen, gab’s nichts Besseres, als mit ihm in ein Schuhgeschäft zu gehen. Und da sollte noch einer sagen, nur Frauen seien versessen auf Schuhe.
Auch ich trug nun meine Jeans. Dazu ein himbeerrotes T-Shirt mit kurzen Ärmeln. Und ich hatte einen Lippenstift in der gleichen Farbe aufgelegt. Ohne Margarites sanften Druck hätte ich mich nie dazu durchgerungen, einen Stift in dieser auffallenden Farbe zu kaufen. Doch ein Blick in den Badezimmerspiegel überzeugte mich, dass er mir außerordentlich gut stand. Er gab meinem Gesicht etwas Frisches, Lebendiges. Ich hatte mich wirklich gemausert in den letzten Wochen, alle Achtung!
»Alle Achtung«, sagte auch Greg, als ich ihm die Tür öffnete, »du siehst toll aus! Und nun komm, meine Schöne, lass uns die Welt erobern!«
»Meine Schöne«, so hatte Wolfram Margarite genannt. Damals im »Roberto«. Ich versuchte mir vorzustellen, wie das wäre, jetzt mit Wolfram in Wien zu sein. Es gelang mir nicht. Zum Glück konnte Greg meine Gedanken nicht lesen. Wie selbstverständlich reichte er mir die Hand. Ich zögerte nicht lange. Und dann schlenderten wir Hand in Hand durch die Straßen. Wenn wir uns in den Schaufenstern derGeschäfte spiegelten, gaben wir ein recht gut aussehendes Paar ab. Danke an Margarite. Ohne ihren Einfluss hätte ich mich wohl wie Gregs Mutter gefühlt. Und danke an die unbekannte Frau Neuhof, dass sie mir ihren Mann lieh. Auch wenn sie es nicht wusste. Es war schön, wieder einmal mit einem männlichen Wesen durch die Straßen zu bummeln. Es war schön, von einer großen, warmen Hand gehalten zu werden.
Wien präsentierte sich von der besten Seite. Die Sonne brachte die prunkvollen Fassaden der Palais und Stadthäuser zum Leuchten. An jeder Straßenecke spürte man den Hauch der Geschichte. Greg machte mich auf so manches Sehenswerte aufmerksam, an dem ich sonst achtlos vorübergegangen wäre. Wie er es vorausgesagt hatte, erreichten wir den Stephansdom nach wenigen Minuten. Der Domplatz wimmelte von Touristen aus aller Herren Länder. Und von jungen Männern in Mozartkostümen, die die Touristen zu verschiedenen Veranstaltungen und Konzerten verlocken wollten.
Wir schritten durch das »Riesentor« in die Kirche. »Willst du wissen, warum das Riesentor Riesentor heißt?«, Greg lachte zu mir herunter. Natürlich wollte ich.
»Da gibt es zwei verschiedene Legenden. Die eine erzählt von Riesen, die mitgeholfen hätten, die Kirche zu bauen und die dann hier zur Taufe gegangen sein sollen. Und die andere Legende wiederum meint, der Name gehe auf riesenhafte Mammutknochen zurück, die in der Mitte des 15. Jahrhunderts beim Bau des Nordturms hier gefunden wurden.«
»Was du alles weißt«, sagte ich mit echter Bewunderung. »Sag nicht, solche Geschichten habe man dir im Studium beigebracht.«
»Nein«, Greg grinste, »aber ich habe in den letzten Tagen mehrmals im Reiseführer geblättert.« Er zog ein schmales, buntes Büchlein aus der Jackentasche. »Und darum weiß ich auch, dass sich hier das Grabmal Kaiser Friedrichs III. befindet.«
Wir betraten den Kirchenraum. Ich hatte ihn mir von außen viel düsterer vorgestellt. Zu meiner Überraschung war der Bau hell und von Licht durchflutet. Was wohl leider auch damit zusammenhing, dass der Dom im Zweiten Weltkrieg zerstört worden war und die alten Fenster, die sicher in dunkleren Farben gestrahlt hatten, durch hellviolette Scheiben ersetzt worden waren. Als wir das Kirchenschiff entlangschlenderten, begegnete uns ein flüsterndes Stimmengewirr in vielerlei Sprachen. Ich überlegte, ob ich für Peter eine kleine Kerze zu den Tausenden anderen Kerzen aufstellen sollte. Das kam mir aber dann in Gregs Gegenwart doch etwas seltsam vor. Daher unterließ ich es lieber.
Als wir wieder ins Freie traten, beschlossen wir einmütig, dass wir uns nun einen Kaffee verdient hätten. Das Sacher war nicht weit. Es war Samstagnachmittag – in der Innenstadt tummelten sich die Einkaufslustigen. Natürlich war nicht nur die Fußgängerzone überfüllt, sondern auch das Kaffeehaus. Ein Oberkellner stand an der Tür, um die Gäste zu begrüßen und zu frei werdenden Plätzen zu weisen. Mit viel Glück bekamen wir
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