Vom Internet ins Ehebett (German Edition)
eben demselben Saal meinen Vortrag halten. Das finde ich schon beeindruckend.«
»Napoleon war ein großartiger Eroberer«, flüsterte ich, scheinbar beiläufig, jedoch nicht ohne Hintergedanken, »willst du heute Nacht wieder mein Eroberer sein?«
»Aber sicher«, Greg grinste und zwickte mich ganz leicht in den Hintern. Hilfe! Hoffentlich hatte das die illustre Gästeschar nicht mitbekommen, die nun immer zahlreicher die ehrwürdigen Hallen füllte.
Dann war keine Zeit mehr für freche Flirtereien. Ich musste zum Begrüßungsvortrag. Während Greg, der an denneusten Erkenntnissen der Zahnmedizin verständlicherweise wenig Interesse hatte, beschloss, das ehrwürdige Gebäude etwas näher in Augenschein zu nehmen. Wir vereinbarten, uns nach dem Workshop über die neusten Füllungswerkstoffe zum gemeinsamen Mittagessen zu treffen.
Das Buffet, das in historischen Räumen des Zwischengeschosses aufgebaut worden war, schmeckte vorzüglich. Wir saßen mit Kollegen aus Australien am Tisch, die nicht aufhören konnten, die Schönheit des Veranstaltungsortes zu preisen. Greg schien gar nicht aufgeregt zu sein. Dabei würde sein Vortrag in knapp einer Stunde beginnen. Ruhig und gelassen löffelte er seine Suppe.
Um vierzehn Uhr begann dann seine Rede. Ich ließ das Referat über Mundschleimhauterkrankungen, das parallel lief und zu dem ich eigentlich hatte gehen wollen, sausen. Und saß nun in der ersten Reihe. Sichtlich aufgeregter als der Vortragende.
»Meine Damen und Herren«, begann er anstelle jeder Begrüßungsfloskel, »Ihr Beruf ist sicher einer der invasivsten und aggressivsten Berufe, die wir kennen.«
Ein Raunen ging durch das Publikum. Erschrocken hielt ich den Atem an. Greg ließ sich nicht beirren: »Wer sonst darf in einen fremden Mund eindringen und dort auch noch bohren, schaben, Zähne ziehen?«
Die Zuhörer nickten. Ja, damit konnten sie etwas anfangen.
»Nach Feng Shui ist Ihr Beruf daher ein typischer Yang-Beruf. Yang verkörpert die männliche Energie. Daher ist es wichtig, durch die Raumgestaltung und durch menschliche Zuwendung Wärme, Geborgenheit, Schönheit, Ästhetik – also Yin – zu betonen.«
Gregs Vortrag war wirklich erstklassig. Seine Worte waren wohl fundiert. Stützten sich auf Erfahrungen und waren mit Beispielen aus vielen Ländern und Kulturen untermauert. Die Kolleginnen und Kollegen aus aller Welt staunten nicht schlecht, als sie in seiner Powerpoint-Präsentation ein Bild des Petersplatzes in Rom zu Gesicht bekamen. Doch auch die katholische Kirche wusste seit vielen Jahrhunderten über das Herstellen der Harmonie in ihren Bauwerken Bescheid. Und wie man eine Sogwirkung entstehen ließ, um möglichst viele Gläubige anzuziehen. Auf die Zahnarztpraxis übertragen hieß dies zum Beispiel, die Wartezonen in ruhigen, geschützten Bereichen einzurichten. Keinesfalls am Gang, wie dies in manchen Praxen noch immer der Fall war.
Eine Kollegin aus Holland, die neben mir saß, schrieb eifrig mit. Vor allem die Idee, ein beruhigendes, sanft murmelndes Wasserobjekt im Wartezimmer aufzustellen, hatte es ihr angetan. »Nicht plätschernd – der Blase zuliebe«, hatte Greg angemerkt. Einige Kollegen lachten verständnisinnig, die Holländerin unterstrich diese Anmerkung und setzte ein Ausrufezeichen dahinter. Dann ging Greg zur Beschreibung des Behandlungsraums über.
Nach seinem offiziellen Vortrag war er noch lange von Interessierten umringt, die gezielte Fragen stellen wollten. Vor dem Zeremoniensaal hatte eine Buchhandlung einen Stand aufgebaut, um Gregs Bücher zu verkaufen. Ich war beeindruckt – er hatte bei der Zugfahrt zwar kurz erwähnt, dass er zwei Bücher zum Thema Feng Shui auf den Markt gebracht hatte. Aber verschwiegen, dass eines davon lange Zeit auf der Bestsellerliste gestanden hatte. Ein Angeber war er wirklich nicht. Zahlreiche Kollegen ließen sich seine Visitenkarte geben. Dieser Vortrag brachte ihm gut und gern fünf bis sechs neue Aufträge ein. Nicht nur ein gescheiter Mann, sondern auch ein tüchtiger, der Herr Neuhof.
Den Abend verbrachten wir im Bett. Wo sonst hätten wir ihn besser verbringen können? Wir ließen uns vom Zimmerservice ein delikates Abendessen servieren. Greg öffnete eine Piccoloflasche Sekt, und ich kam mir richtig verrucht und sündig vor. Und glücklich. Mit all den neuen Eindrücken hatte ich die Aufregung vor meinen Vortrag fast vergessen. Wie anders hatte ich mir das vorgestellt. Ich hatte mich vor meinem geistigen Auge stets
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