Vom Internet ins Ehebett (German Edition)
am Platz gewesen wäre. Für Frauen, die verheirateten Männer nachstellten, wie sie jeden Flirtversuch zu bezeichnen pflegte, hatte sie nicht das geringste Verständnis. Ich hätte eher ein »Bist du denn von allen guten Geistern verlassen?« erwartet als ein »Das ist doch großartig!«.
»Jetzt hast du endlich die Wand der Trauer durchbrochen und hast einen Mann an dich herangelassen. Das finde ich ganz toll.« Es hätte nicht viel gefehlt und sie hätte Saltos geschlagen vor Freude.
»Die Wand der Trauer durchbrochen«, wie das klang! Dieser Ausdruck hätte in einen ihrer historischen Romane gepasst, aber doch nicht zu meiner Situation. Seltsam, aber Beas Reaktion ging mir gehörig auf die Nerven. Ich wollte zu Greg! Ich wollte ihn spüren. Und nicht über ihn sprechen, als sei er nur ein Mittel zum Zweck gewesen. Viele Wochen später würde ich mir den Kopf darüber zerbrechen, warum ich Bea gegenüber Gregs Nachnamen nicht genannt hatte. Doch an diesem Abend stand mir nur mehr der Sinn nach Themenwechsel.
»Wie auch immer«, sagte ich daher scheinbar leichthin, »es war eine nette Episode. Aber sie ist nun zu Ende. So, und jetzt erzähl du: Wie ist es dir ergangen in der letzten Woche?«
Der Alltag holte mich schnell wieder ein. Tim hatte seine Mathematikarbeit komplett in den Sand gesetzt. Ich hatte mein Wissen in diesem Fach längst vergessen. Und daher keine Ahnung, wie ich ihm seine offenen Fragen bei Vektorrechnungen hätte beantworten können. Sebastian hatte wie immer eine sehr gute Arbeit geschrieben. Fühlte sich aber überfordert, seinen Bruder in sein Wissen einzuweihen. Ein Nachhilfelehrer musste her. Dieser Entschluss war leichter gefällt, als umgesetzt. Denn Tim weigerte sich standhaft, einen Kurs zu besuchen. Ich telefonierte mit einigen Nachhilfelehrern, die in der Zeitung inseriert hatten, aber die wohnten alle am anderen Ende der Stadt. Ich hatte keine Lust, meinem Sohn stundenlange U-Bahn-Fahrten zuzumuten, er hatte ohnehin schon viel zu wenig Freizeit. Tim versprach, sich in der Schule umzuhören. Vielleichtfand er ja einen passenden Schüler aus einer der höheren Klassen.
Carla vergrub sich immer mehr in ihrer Arbeit. Marie war kaum noch im Haus, sondern lebte die meiste Zeit bei ihrem Vater. Oder besser gesagt: unter Tonys Obhut. Daher war unser Haus ungewohnt ruhig und absolut hundefrei. Und wo Hubert die ganze Zeit steckte, wusste ich schon gar nicht. Morgens verließ er zeitig das Haus. Sein Auto stand selten in der Garage. Wenn ich mich nicht irrte, dann war er in den letzten Tagen auch oft über Nacht weggeblieben. Seine diversen Clubs schienen besonders aktiv zu sein in den letzten Wochen. Schön, dass es gleich gesinnte ältere Herren gab, mit denen sich mein Schwiegervater seine Zeit sinnvoll vertreiben konnte. Da brauchte ich mir weiter keine Gedanken um ihn zu machen. Ich hätte ohnehin weder die Zeit noch die Lust gehabt, mich um ihn zu kümmern.
Ich vergaß völlig, in meine Mailbox zu schauen.
Noch immer kein Lebenszeichen von Greg.
XIX
Am nächsten Tag, es war bereits einige Tage nach meiner Rückkehr aus Wien, traf ich Carla im Flur. Und dies auch nur, weil ich ihr regelrecht aufgelauert hatte. Sie war gerade nach Hause gekommen und dabei, sich müden Schrittes in ihre Wohnung hinaufzuschleppen. Ich erschrak. Meine Freundin war nur noch ein Schatten ihrer selbst. Sie sah müde und abgespannt aus. Ich begann, mir ernsthafte Sorgen um sie zu machen.
»Hallo, Roli«, sie bemühte sich zu lächeln, »ich habe gar nicht richtig mitbekommen, dass du zurück bist. Deine Jungen waren mustergültig, während du verreist warst. War’s schön in Wien? Nette Leute getroffen? Du musst mir unbedingt alles erzählen. Aber sei mir nicht böse, nicht heute. Denn ich bin todmüde. Und muss noch einige Unterlagen durchsehen. Und dann möchte ich nur noch unter die Dusche und schnell ins Bett.«
»Carla, kann ich irgendetwas für dich tun?« Ich hätte ihr gerne von Greg erzählt. Wusste aber, dass dies nicht der richtige Zeitpunkt war. Dabei hätte ich so gerne mit irgendjemandem über diesen Mann gesprochen!
»Das ist lieb, Roli, danke. Aber mir ist zurzeit nicht zu helfen«, sie seufzte tief auf, »ich darf das Parker-Stokington-Geschäft auf keinen Fall vermasseln. Du weißt schon: den Vertrag mit der großen englischen Firma. Wenn mir dieses Geschäft auch noch misslingt, dann habe ich Bubi genug Stoff geliefert, mir zu kündigen. Und wer nimmt mich denn dann noch, wenn
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