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Vom Vergnugen eine altere Frau zu sein

Vom Vergnugen eine altere Frau zu sein

Titel: Vom Vergnugen eine altere Frau zu sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clough Patricia
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Straßen ins Dogonland, nach Timbuktu und Gao, sowie nach Djenné mit seiner berühmten Moschee. Neben einigen Einheimischen kamen vor allem Touristen ins MANKAN TE sowie Mitglieder internationaler Organisationen, die in Mali zu tun hatten.
    Nach dem sechsten Sabbatjahr musste sie sich entscheiden, ob sie wieder nach Deutschland zurückgehen wollte. Die deutschen Behörden klopften an ihre Tür.
    Â»Die Entscheidung, für immer in Mali zu bleiben, hatte ich schon im ersten Jahr getroffen, aber ich musste mir das Hintertürchen offen halten. Ich wusste nicht, wie sich das Ganze politisch entwickelt. Das kann in afrikanischen Ländern sehr schnell umschlagen.« Sie sorgte dafür, dass sie im Notfall weich landen und ihre Witwenpension beziehen würde. Das war sehr weitsichtig. Mali war damals noch eine relativ stabile Demokratie. Doch seit 2010 lief das Geschäft nicht mehr so gut. Die Wirtschaftskrise war auch in Mali angekommen, nach Geiselnahmen im Norden und Unruhen in den Nachbarländern blieben die Touristen aus. Und bald sollte alles noch viel schlimmer werden.
    Inzwischem war sie sechsundsechzig geworden und hatte einen weiteren Neustart gewagt, einen neuen Lebensabschnitt begonnen. Das Restaurant hatte sie ihrem sehr kompetenten Geschäftsführer übergeben, der ihr unter anderem vertraglich zugesichert hat, dass sie bis an ihr Lebensende einmal am Tag dort essen darf, ohne dafür zu bezahlen. Jutta hatte sich nun vorgenommen, die alten Schätze Malis – Schmuck, Steinwerkzeuge, Schnitzereien, Textilien – so weit wie möglich vor dem Verkauf ins Ausland zu retten und in einem kleinen Museum auszustellen. Ihr eigenes Geld aus ihrer bescheidenen Rente, mit dem man in Mali selbstverständlich viel weiter kommt als in Deutschland, floss in diese Bemühungen.
    Die meisten Malier haben keine Ahnung, wie wertvoll ihr kulturelles Erbe ist, und verscherbeln es mit einem Lächeln an Touristen, vor allem an Amerikaner. »Darunter sind viele Sachen, die es kaum noch gibt«, sagt Jutta traurig. Sie hat Schätze gesehen, die eigentlich in das Nationalmuseum in Bamako gehörten, doch die Leute sagten ihr dazu nur: »Du weißt doch, Jutta, wie arm wir sind. Wenn wir es nach Bamako bringen, nehmen sie es uns weg. Sie bedanken sich nicht und bezahlen uns nicht einmal die Heimreise.« Man munkelt, dass selbst das Nationalmuseum, das mit dem Schutz der Altertümer betraut ist, Stücke aus der Sammlung verkauft.
    Jutta, die keinerlei Fachwissen mitgebracht hatte, aber schnell lernte, kaufte viele, teilweise sehr alte Objekte, Erbstücke, die von den Dorfbewohnern aus Geldmangel auf den Touristenmarkt von Mopti gebracht wurden. Sogar steinzeitliches Werkzeug wird dort verkauft. Einen kleinen Teil ihrer Sammlung konnte man nun in ihrem dritten Haus besichtigen. Außer den Schnitzereien und neolithischen Objekten wurden auch Dinge des Alltags ausgestellt, so zum Beispiel riesige Schalen aus Holz. Heute werden sie ersetzt durch Plastik oder Metall, weil große Bäume rar geworden sind. Jutta hatte so wenig Platz, dass sie zeitweise aufhören musste, Objekte zu kaufen – sie wusste einfach nicht mehr, wohin damit. Eigentlich bräuchte sie einen eigenen Museumsbau. Sie hoffte, dass sich eines Tages eine Organisation ihrer Sammlung annehmen und eine Heimat für sie finden würde.
    Offenbar hatte sich Jutta Ratschinske in den fast neunzehn Jahren, die sie bereits in Mali gelebt hat, großen Respekt erworben. Die lokalen Behörden wendeten sich schon in Fragen des Tourismus an sie. In Mali zeigen sich Frauen, besonders ältere Frauen, nur selten außerhalb der eigenen vier Wände, doch niemand kommt auf die Idee, dass sich auch Jutta den traditionellen Vorstellungen unterzuordnen hat. Auch ihr Alter mindert in keiner Weise den Respekt, den man ihr entgegenbringt, ganz im Gegenteil.
    Einmal im Jahr, während der Regenzeit, wenn in Mali nicht viel zu tun war, kam Jutta nach Deutschland. Sie wohnte dann einige Wochen in ihrem Haus in Waibstadt, das sie mit einem ihrer Söhne und dessen Familie teilt. Doch trotz der Gefahren und Unwägbarkeiten war sie immer fest entschlossen gewesen, den Rest ihres Lebens in Mali zu verbringen. Sie ist bereits an Malaria erkrankt – fünf Tage lag sie im Koma – und an Typhus. Doch dafür war sie kein einziges Mal erkältet. Das heiße, trockene Klima tut ihr gut, sie hat Arthrose. Ich

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