Vom Vergnugen eine altere Frau zu sein
mit verschiedenen Männern. Zusätzlich hat sie als Zwischenkapitel fiktive erotische Fantasien eingefügt, die ebenfalls an Detailtreue nichts zu wünschen übrig lassen. Ihre gröÃte Sorge bei der ganzen Sache war, dass ihre Söhne schockiert sein könnten. Lange zögerte sie, bevor sie ihnen von ihren Abenteuern erzählte. Doch dann stellte sie überrascht und erleichtert fest, dass ihre Söhne begeistert waren! »Mutti, du bist ja super!«, rief einer von ihnen. Ein anderer half ihr gleich dabei, einen Verlag zu finden.
Das Buch entwickelte sich zu einem Bestseller. Elfriede wurde von einer Talkshow zur nächsten weitergereicht und gab zahllose Interviews. Die Filmrechte wurden verkauft. Das Buch hatte eine regelrechte Debatte losgetreten. »Die jüngeren Frauen waren begeistert«, sagt sie. »Die Besitzerin meiner Konditorei ist mir um den Hals gefallen. Gott sei Dank, dass es eine Frau gibt, die sich traut, über so etwas zu schreiben!, rief sie. Die jungen Verkäuferinnen in der Apotheke haben mich angestrahlt. Aber die älteren Nachbarinnen hier ⦠Ich glaube, sie können das nicht verstehen.«
Auch unter den Kritikern gingen die Meinungen auseinander. Was die einen für offen, ehrlich, inspirierend hielten, »ein absolutes Vorbild an Lebensfreude und Lust, an Offenheit und Unverklemmtheit«, war für andere nur »billige Alterspornografie«. Die einen bezeichneten es als »poetisch, verzaubernd, direkt«, die anderen fanden es schamlos, abstoÃend, verlogen, »extrem obszön und teilweise pervers«. Doch wie auch immer die Leser und Kritiker dazu standen, alle lobten Elfriedes Mut. Kein Zweifel, sie hatte ganz neue Wege beschritten.
Am interessantesten an der ganzen Angelegenheit war vielleicht, dass der Arzt am Ende recht hatte: Es gibt sehr viele Männer, die sich von älteren Frauen angezogen fühlen. Elfriede schätzt, dass es mindestens zehn Prozent sind. Vielleicht werden Sexualforscher eines Tages wissenschaftlichere Erhebungsmethoden finden, um diese Zahlen zu bestätigen. Bestimmt, meint Elfriede dazu, und betont, dass von Perversion keine Rede sein kann: »Es ist eine Neigung und nicht eine Krankheit«, sagt sie.
Ihre Erfahrungen haben ihr ganzes Leben umgekrempelt. Sie hat mit dem Buch viel Geld verdient, und sie hat bereits das nächste geschrieben. Doch ihren Lebensstil will sie nicht ändern. Sie wird weiterhin in ihrer kleinen Wohnung leben. Und sie hat mehr als genug Geld, um sich in den letzten Jahren die beste Pflege zukommen zu lassen.
Elfriede kann wieder schlafen.
Eher zufällig stieà Elfriede Vavrik auf eine Möglichkeit, mit neunundsiebzig etwas nachzuholen, das in ihrem Leben gefehlt hatte. Damit ist sie nicht allein. In einem beeindruckenden Film der jungen Regisseurin Saara Aila Waasner werden drei Prostituierte mittleren Alters vorgestellt. Zwei von ihnen haben mit fünfzig bzw. einundfünfzig Jahren erst angefangen. Keine fühlte sich aus finanziellen Gründen gezwungen, diese Arbeit zu machen. Sie reagierten einfach auf die bedrückenden Umstände, die den ersten Teil ihres Lebens beherrscht hatten. Und beide hatten die Prostitution scheinbar als eine Form der Befreiung erlebt.
Christa, die im Film achtundfünfzig Jahre alt ist, führt die Berufswahl auf ihre frühere Krankheit zurück. Sie war lange manisch-depressiv, hatte kein Interesse an Sex, sie wusste kaum, was Lust ist. Alles, was mit Sex zu tun hatte, stieà sie ab, es war nur eine »Dienstleistung am Ehemann«.
Ein Psychologe ermunterte sie zu experimentieren. »Ich habe mir selbst beigebracht, wie ein Orgasmus funktioniert ⦠Ich lieà nicht locker und habe so lange probiert, bis es mir gelang.« Da war sie neunundvierzig. Es erfüllte sie mit Glück und mit Stolz. Jetzt musste sie nur noch Männer finden, mit denen sie Sex haben konnte. So kam sie auf die Idee, es mit Prostitution zu versuchen. Anfangs glaubte sie, man müsse jung sein, um als Prostituierte eine Chance zu haben. »Aber als ich gemerkt habe, dass so viele nette, intelligente junge Männer dabei waren, habe ich angefangen umzudenken, selbstsicherer zu werden. Ich habe gemerkt, dass es eine beachtliche Nachfrage gibt nach älteren Frauen ⦠Jetzt bin ich in dem Alter, wo ich Sex genieÃe wie eine Zwanzigjährige,« erklärt sie im Film.
Karolina, eine groÃe, schlanke Domina,
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