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Vom Vergnugen eine altere Frau zu sein

Vom Vergnugen eine altere Frau zu sein

Titel: Vom Vergnugen eine altere Frau zu sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clough Patricia
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Vergangenheit erlebt hatten. Auch von den etwas Jüngeren, die wir in unserer Studie nicht berücksichtigen konnten, den Fünfzig- oder Sechzigjährigen, ist Ähnliches zu berichten.
    Zweifellos ist man bis ins hohe Alter hinein zur Liebe fähig, doch die uralten Tabus, die Vorurteile, die Hemmungen und die Art unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens haben dazu beigetragen, dass die meisten »amours« der späten Jahre im Keim erstickt werden. Doch die Gesellschaft verändert sich, die Menschen werden immer offener, immer toleranter. Viele Frauen führen lieber ein eigenes Leben, als eine unglückliche Ehe zu ertragen. Und immer mehr Frauen sind – zumindest im kleinen Kreis – bereit, über diese Dinge zu reden. Es ist ein Wermutstropfen, dass die meisten von ihnen noch heute am liebsten anonym bleiben. Denn der gesellschaftliche Widerstand ist immer noch groß, selbst unter jenen Menschen, die sich für modern halten.
    Als eine geschiedene, fünfzig Jahre alte Frau, die in diesem Buch schon zu Wort gekommen ist, ihrer Tochter erzählte, dass sie mit einem neuen Mann schläft, rief die Teenagerin: Igitt! Eine über Siebzigjährige, die die Liebe ihres Lebens gefunden hat, traut sich nicht, mit ihren Kindern darüber zu reden. Eine ältere, verwitwete Bäuerin, die ihre Liebe zu einem Jugendfreund wiederentdeckt hatte, sagte ihre Hochzeit ab, weil die Kinder sich vehement dagegen zur Wehr setzten.
    Auch im eigenen Kopf findet der Widerstand statt. Meine Freundin Susanna hat mir anvertraut, dass sie trotz enormer innerer Auseinandersetzungen niemals den Mut gefunden hat, einem bestimmten Mann zu gestehen, dass sie bis über beide Ohren in ihn verliebt ist – obwohl sie seit langem vermutet, dass er durchaus auch Interesse an ihr hat. Warum? »Erstens, weil er verheiratet ist. Jeder kennt hier jeden, es könnte zu einem furchtbaren Gerede kommen. Doch was am Ende den Ausschlag gegeben hat, war, dass er wesentlich jünger ist als ich. Ich war siebzig, er nicht einmal fünfzig. Die Vorstellung, zurückgewiesen zu werden, nur weil ich eine ›alte Frau‹ bin, war mir unerträglich.« Wieder andere Frauen trauen sich einfach nicht, weil ihre Gesichter und Körper nicht mehr die sind, die sie einmal waren. Doch letztlich scheint das gar keine Rolle zu spielen. Mehrere »reife« Frauen, mit denen ich gesprochen habe, sind überzeugt, dass wabblige Arme und die nicht mehr erkennbare Taille kein Thema sind, wenn die Liebe einmal entflammt ist. Außerdem gibt es tatsächlich eine erstaunliche Menge Männer, die sich gerade von älteren Frauen angezogen fühlen.
    Elfriede Vavrik ist eine der Frauen, die den Mut hatte, das Tabu zu brechen und öffentlich darüber zu sprechen. Sie ist mit ihrer bemerkenswerten Geschichte bekannt geworden, hat Fernsehauftritte gehabt und wurde in Zeitschriften porträtiert. Man mag bedenklich finden, wie sie sich verhalten hat, doch immerhin hat sie mehr dafür getan, die Tabus über den Sex im Alter aufzubrechen, als die meisten Frauen.
    Elfriede Vavrik hatte mit Sex nicht viel am Hut. Sie war zweimal verheiratet, beide Ehen waren katastrophal in körperlicher und emotionaler Hinsicht. Nur einmal, während einer kurzen Affäre, hat sie etwas erlebt, das man einen Orgasmus nennen könnte. Vierzig Jahre lange schlief sie überhaupt nicht mehr mit Männern.
    Drei Söhne hatte sie großgezogen, ansonsten widmete sie sich ganz ihrem sehr erfolgreichen Buch- und Schreibwarenhandel, den sie in einem Wiener Vorort betrieb. Als sie sich mit neunundsiebzig endlich zur Ruhe setzte, stürzte sie in eine fürchterliche Krise – sie litt unter extremer Schlaflosigkeit. »Ich dachte, ich werde verrückt!«, sagt sie. »Ich wurde depressiv. Ich hatte nichts zu tun, ich hatte niemanden. Und ich konnte nicht schlafen.«
    Als sie es nicht mehr ertrug, ging sie zum Arzt. Sie erzählte ihm von ihren Schlafstörungen und gestand ihm verlegen, dass sie nur einschlafen könne, wenn sie sich selbst »berühre«. Ihr Arzt erklärte, er könne ihr zwar Schlaftabletten verschreiben, bessere Heilung verspräche aber eine andere Methode: Sex.
    Â»Aber ich bin doch eine Greisin!«, rief sie. »Ich werde achtzig!«
    Â»Natürlich sind Sie nicht mehr die Jüngste, aber es gibt Männer, denen sexueller Kontakt mit Damen Ihres Alters gefällt

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