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Vom Vergnugen eine altere Frau zu sein

Vom Vergnugen eine altere Frau zu sein

Titel: Vom Vergnugen eine altere Frau zu sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clough Patricia
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Er ist immer wieder hier vorbeigekommen, manchmal mit einem Team, manchmal war er allein. Wir haben uns hin und wieder unterhalten, dann immer öfter, beinahe täglich … Dann hat er mich zum Essen eingeladen. Eins führte zum anderen, und so …«
    Â»Wie großartig, ich freue mich so für dich, Sissi! Sieht er gut aus? Ist er verheiratet?«
    Da war es mit Sissis Lächeln vorbei. »Ja, er sieht ziemlich gut aus. Nicht filmstarmäßig gut, aber charmant, auf eine schelmische Art. Und ja, leider, er ist verheiratet. Er hat eine Frau zu Hause und Kinder, die noch zur Schule gehen. Er sagt, dass in seiner Ehe nichts mehr läuft, er bleibt nur noch wegen der Kinder. Aber ich bin mir da nicht so sicher.«
    Â»Hmm, ja, das sagen sie natürlich immer. Aber ist doch egal, genieß es einfach, wenn er hier ist. Eine hübsche kleine Affäre solltest du dir auf jeden Fall leisten, du hast so viel gearbeitet, und die Sache mit Dirk liegt ja auch noch nicht so weit zurück. Du warst so schockiert, als er dich verlassen hat.«
    Â»Du hast recht«, sagte sie und fügte leise hinzu: Ȇbrigens ist der Sex fantastisch, es ist, als wäre ich von den Toten auferstanden. Ich habe wirklich gedacht, dass all das längst vorbei ist für mich. Ich war bei der Gynäkologin, ich habe überhaupt keine Probleme mehr, es tut nicht weh. Ich bin ein bisschen verrückt nach ihm, ich muss mich richtig beherrschen. Sobald es irgendwo klingelt, suche ich das Telefon. Falls er es ist. Die ganze Zeit sehe ich zur Tür, ob er nicht gerade reinkommt.«
    Â»Sei vorsichtig, Sissi«, sagte ich und kam mir wie eine besorgte Mutter vor. »Du musst aufpassen, dass er dir nicht wehtut.«
    Â»Ich weiß«, antwortete sie. »Aber es ist so schön, ich muss es wohl einfach riskieren.«
    Welche Frau sucht nicht nach den Spuren des Alterns, wenn sie in den Spiegel schaut? Wie oft ziehen Frauenhände, die auch nicht mehr die jüngsten sind, die Gesichtshaut in Richtung Ohren, wie oft glätten sie die Stirn? So ist es doch viel schöner, sagen die Besitzer dieser Gesichter, fast so schön wie vor zwanzig Jahren. Soll ich mich liften lassen, soll ich mir die Lippen aufspritzen lassen? Wie wär es mit ein bisschen Botox hier und hier und da? Wär das nicht schön? Man könnte die Jahre vergessen machen … Vielleicht kann ich es mir irgendwann leisten.
    Die Versuchung ist groß. Viele Prominente sehen auch im Alter noch fantastisch aus. Wir brauchen es ihnen ja nicht zu glauben, wenn sie behaupten, dass alles Natur ist. Einige sind ja auch ehrlich genug, Jane Fonda zum Beispiel. So wollen wir auch aussehen, denken wir heimlich. Hinter den besorgten Gesichtern in unseren Badezimmerspiegeln verbirgt sich Verwirrung, ein Dilemma, selbst wenn wir zu denen gehören, die immer geglaubt haben, dass Äußerlichkeiten nicht so wichtig sind.
    Die meisten von uns haben inzwischen verstanden, dass Jugend und Schönheit nicht die wichtigsten Dinge im Leben sind, auch nicht für Frauen. Unsere Generation hat gelernt, dass harte Arbeit, Talent, Bildung und Unabhängigkeit, selbstverständlich auch die Familie und der Freundeskreis, viel wichtiger sind. Wir haben gelernt, uns nicht über das Aussehen zu definieren. Außerdem sind es längst nicht nur diese Äußerlichkeiten, die uns für Männer attraktiv machen. Der Charakter, die Persönlichkeit ist mindestens ebenso entscheidend. Wir wollen ja geliebt und respektiert werden für das, was wir sind. Es wäre dumm, sogar verwerflich, wenn eine Frau – mit Ausnahme vielleicht von Schauspielerinnen, Sängerinnen oder Models, deren Aussehen schon aufgrund ihres Berufs eine Rolle spielt – auf ihr Äußeres setzt, um im Leben das zu bekommen, was sie will. Unsere Eltern haben uns mit auf den Weg gegeben, dass wir »in Würde altern« sollen. Das sollte wohl bedeuten, dass man sich nicht auflehnt gegen das, was da kommen mag. Es gibt ja auch die ein oder andere bekannte Schauspielerin, die behauptet, dass sie sich nie operieren lassen würde. Alles, was sie erlebt haben, sagen diese Frauen, hat Spuren in ihren Gesichtern hinterlassen, sie akzeptieren es und sind stolz darauf. (Man fragt sich natürlich, was passieren wird, wenn sie keine Rollenangebote mehr bekommen.)
    Selbst wenn wir uns ein Leben lang kaum darum geschert haben, bekümmert es uns doch, wenn wir die Spuren

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