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Vom Wispern der Waelder und vom Wesen des Wanderns

Vom Wispern der Waelder und vom Wesen des Wanderns

Titel: Vom Wispern der Waelder und vom Wesen des Wanderns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Luehrs
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vielleicht ist das ja auch mal gut so. Ein milder Morgen nimmt uns auf, die Luft riecht würzig, am Himmel hohe Wolken, an manchen Stellen sogar blaue Streifen.
    Buchloe liegt an der Autobahn, circa 75 Kilometer vom Zentrum Münchens entfernt. 10.000 Einwohner zählt das Städtchen. Viele pendeln nach München. Seit einigen Jahren steigt die Einwohnerzahl, weil immer mehr Menschen München wegen der viel zu hohen Mieten verlassen und in immer entferntere Orte umziehen müssen. Immerhin hat Buchloe einen berühmten Sohn, einen Nobelpreisträger der Medizin, der hier aufgewachsen ist.
    Wir sind wieder in der von Landwirtschaft geprägten Ebene unterwegs. In der Ferne ein Bauer neben seinem Traktor. Als wir näherkommen, sehen wir, wie aus einem Hänger in hohem Bogen gehäckselter Mist auf einen Haufen geworfen wird. Es stinkt erbärmlich nach Gülle. Wir bleiben stehen und beobachten den Vorgang. Der Bauer sieht uns und stellt den Traktor aus.
    „Na, Männer, sieht man ja selten hier, solche wie ihr.“
    „Tja, wir sehen auch selten welche. Ich mein’, wir begegnen auch selten Menschen.“
    „Was macht ihr denn hier?“
    „Wir wandern.“
    „Das sehe ich auch, aber wohin wollt ihr?“
    Zum x-ten Mal erzählen wir unsere Geschichte, und er hört interessiert zu.
    „Was machen Sie eigentlich da?“, frage ich ihn.
    „Ich lege hier eine Silage aus Schweinemist an. Früher hab’ ich das Zeug immer im Herbst auf die Felder gebracht. Jetzt aber lasse ich es bis zum nächsten Frühjahr hier liegen, häcksle es noch mal und bringe es erst dann auf die Felder. Die Schlack- und Giftstoffe haben sich dann gesetzt, und die Düngewirkung ist viel besser. Ich bearbeite meinen Boden so, dass er atmen kann. Gift kommt bei mir nicht auf die Äcker.“
    „Donnerwetter, das können sie doch an ihren Bauernpräsidenten weitergeben. Der ist doch gebürtiger Bayer und bestimmt begeistert, dass seine Bauern so innovativ sind.“
    „Nix geb ich weiter. Den ganzen Funktionären traue ich nicht. Die mästen sich nur mit unserem Geld, und je mehr sie davon haben, desto gieriger werden sie.“
    Dann legt er nach, erzählt von einem Fürstengeschlecht hier aus der Gegend, das etliche Ländereien, darunter auch Wald, besitze. Einer von ihnen sei ein Hallodri gewesen, habe gesoffen, gespielt, herumgehurt, sich auf Safaris in Afrika herumgetrieben, habe den Betrieb vollkommen heruntergewirtschaftet und die Wälder und das Land verkommen lassen. So seien die Menschen eben, man könne sich nur auf sich verlassen.
    Schau an, das ist ja mal ein grünes Bäuerchen, und das in Bayern.
    Wir wollen weiter und verabschieden uns. Der Bauer schmeißt den Trecker wieder an, und wir wandern davon.
    Einige Kilometer weiter treffen wir auf das erste bayerisch anmutende Dorf. An einem kleinen Tümpel mitten im Ort setzen wir uns auf eine Bank. Mächtige, weißgetünchte Häuser mit Geranienkästen an den Fenstersimsen, braunen und grünen Fensterläden, mit breiten Dachüberhängen und umrahmt von hohen, alten Laubbäumen bilden den Ortskern. Uns gegenüber befindet sich eine Landbrauerei mit einem typischen Biergarten: Holzbänke, Biertische unter Kastanien und Linden und ganz vorn drei Verschläge, in denen die hölzernen Bierfässer aufgebockt werden. Holzhausener Landbier wird hier gebraut und ausgeschenkt. Zu schade, dass das Lokal noch geschlossen hat. Ich glaub’, ich hätt’ mir eines gegönnt.
    Ein Hahn stolziert über die Landstraße, irgendwo bellt ein Hund, der Dorftrottel redet mit der Hauswand, humpelt greinend von dannen, und vor dem Hof zur Linken glänzen sauber aufgereihte Milchkannen in der inzwischen hinter den Wolken hervorgetretenen Sonne. Es ist wie im Bilderbuch. Jetzt sind wir in Bayern. Das Klischee hat seine Bestätigung gefunden.
    Ich habe Hunger und wühle aus meinem Rucksack einen Müsliriegel hervor. Achtlos lasse ich den Rucksack wieder fallen. Er trifft den intakten Wanderstock, der an einer Linde lehnt. Der knickt ein, und mit einem Klacken fliegt irgendetwas davon. Sprachlos stehe ich vor meinem zerlegten Stock, suche hilflos mit den Augen den Boden ab, finde aber nichts. Das kann nicht wahr sein. Jeder aus Holz geschnitzte Stecken hätte diesen Aufprall abgefedert. Der Schaden lässt sich nur noch mit dem Tapeband reparieren. Jetzt habe ich zwei Wanderstöcke mit weißer Binde.
    Vor uns zeichnet sich ein bewaldeter, flacher Höhenzug ab. Wir laufen direkt drauf zu, freuen uns auf die Abwechslung, auf den Wald, auf

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