Vom Wispern der Waelder und vom Wesen des Wanderns
hängenden Wolken.
Und dann stehen wir auf dem letzten Berg vor der breiten Front der Alpen. Laufen hinab in die Ebene am Fuße des Gebirges und machen erst Halt, als es nicht mehr weiter geht und wir an seinen Sockel stoßen. Es ist vollbracht! Wir haben es geschafft! Morgen laufen wir unsere Kür.
Über den Bergen stauen sich die Wolken und verhüllen die Gipfel. Wir stehen in Buching, einem Ort am Alpenrand, auf regennasser Straße, und wissen gar nicht, wie uns geschieht. Die Euphorie bleibt aus.
Unglaublich nüchtern ist dieses plötzliche Ende. Aber so ist es wohl immer, wenn man etwas erwartet und sich schon länger damit beschäftigt. Wenn es dann eintritt, ist es oft so anders, als man es sich erhoffte, und manchmal kommt es so unspektakulär und belanglos daher wie das Verkosten des letzten Löffels Suppe aus einem Teller, den man anschließend mit einer achtlosen Bewegung von sich wegschiebt.
An der Außenwand des bereits geschlossenen Touristikbüros befindet sich ein Bildschirm mit berührungsempfindlichen Buttons. Wir zappen uns durch das Programm und finden ein Hotel mit freien Zimmern.
Der Empfang ist trostlos. Die einzige, mutterseelenalleine Bedienung händigt uns mürrisch die Zimmerschlüssel aus und hat auch ihre schlechte Laune nicht abgelegt, als wir uns nach einer Stunde an einem der Tische niederlassen. Die Bestellungen laufen schleppend, obwohl nur ein paar Gäste sich in dem großen Speiseraum verlieren. Statt einer Maß, unserem Abschiedstrunk, erhalten wir nur einen halben Liter. Wir bestehen aber auf der Maß, weil wir unseren letzten gemeinsamen Abend so begießen wollen. Sie weigert sich, unserem Wunsch zu entsprechen, und wir weigern uns, den halben Liter zu trinken, geschweige denn zu bezahlen. Es geht hin und her, und schließlich platzt mir der Kragen.
Wo sehe sie denn eigentlich das Problem, entfährt es mir. Wir wollen doch nur das, was wir bestellt haben, und das sei doch eine Selbstverständlichkeit. Sie solle jetzt endlich die beiden Gläser nehmen, sie umfüllen und dann den Rest nachzapfen. Und damit basta!
So geschieht es dann auch. Trinkgeld hat sie trotzdem bekommen, aber Gute Nacht haben wir uns nicht gewünscht.
Frühzeitig gehen wir auf unsere Zimmer, flüchten vor der deprimierenden Atmosphäre aus dem fast menschenleeren Gastraum. Der letzte Abend war gleichzeitig der unfreundlichste. Ein Wink mit dem Zaunpfahl: Jungs, geht nach Hause, der Drops ist gelutscht.
G LÜCK IST WIE EIN H AUCH
D AS E NDE
MITTWOCH, 11. JUNI
BUCHING – FÜSSEN, 22 KM
In der Nacht hat es gewittert, und auch am Morgen nieselt es noch aus den tiefhängenden Wolken. Unsere Kür über die Berge muss ausfallen, wir werden nichts sehen, schade. Auch das Einholen einer Info im Touristikinformationsbüro bringt uns nicht weiter. Die Leute kennen nicht mal den regionalen Wetterbericht.
So gehen wir also zunächst wieder ein Stück Weg zurück, um dann zwischen dem großen Forggensee, an dessen südlichem Ende Füssen liegt, und dem westlichen Rand des den Bannwaldsee umschließenden Naturschutzgebietes entlangzuwandern. Nach zwei Stunden erreichen wir diesen unberührten Landstrich und laufen jetzt direkt auf Schloss Neuschwanstein und die Berge zu. Wie ein Dach liegt eine geschlossene Wolkendecke über dem Land, inzwischen aber so hoch, dass es das gesamte, großartige Bergpanorama freigibt, so deutlich und konturenreich, wie es sich nur nach einem Gewitter zeigt. Das Schloss wirkt aus der Entfernung viel unscheinbarer, als ich es mir vorgestellt habe. Ein winziges Schwalbennest an einer riesigen Felswand.
Gegen Mittag stehen wir vor der Seilbahn, die uns zum Tegelberghaus in 1.700 Höhe bringen soll. Wir wollen hinauf, um zurückzuschauen, über das Land, durch das wir gewandert sind und um den Bergen ganz nah zu sein, weit oben, wo sie wild und verschlossen sind. Eine Weile müssen wir warten, und dann geht es hinauf, vorbei an Neuschwanstein, das jetzt aus der Nähe seine märchenhafte Schönheit entfaltet. Ein schlankes, graziles Schloss vor der Kulisse schroffer, monumentaler Felsen. Einige Wolkenbänke haben sich losgerissen und schweben unter uns über den beiden Seen, deren trennende Landbrücke wir passiert haben. Weit kann man nicht schauen, aber es ist ein erhabenes Gefühl, von hier oben hinabzublicken auf das Land zu Füßen der Berge, am anderen Ende Deutschlands, das wir endlich erreicht haben.
Hinter uns stehen die Zweitausender des Ammergebirges. Neuschnee auf den
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