Vom Wispern der Waelder und vom Wesen des Wanderns
Nerven. Ich beschleunige das Tempo und würdige ihn keines Blickes mehr.
So gelangen wir mit einem ziemlichen Umweg zum Fuße des Abhanges, wandern mit gebührendem Abstand über Wiesen und Felder mit wunderschönem Blick auf die vor uns liegende Landschaft. Am Ende müssen wir einen steilen Hang, mehr rutschend und stolpernd, hinunter, um unseren Weg wieder aufzunehmen, der jetzt in ein schmales, liebliches Tal hineinführt. Das Gewitter hat uns nicht erreicht. Die Sonne sticht, und die schwüle Luft drückt unbarmherzig auf meinen geschwollenen Schädel.
Wir entfernen uns vom Thüringer Wald, machen die ersten Schritte ins Coburger Land hinein, beide inzwischen versöhnlich gestimmt, und erreichen bei 30 Grad im Schatten Schalkau, ein unauffälliges Städtchen mit einer Eisdiele direkt an der lärmigen Hauptstraße. Ein einzelner wackeliger Sonnenschirm bietet etwas Schutz vor der Sonne, ansonsten ist es staubig und laut. Wir plumpsen in die weißen Plastikstühle und hoffen auf gutes, selbstgemachtes Eis, wie es in der Karte angepriesen wird. Es schmeckt tatsächlich phantastisch, und während wir genießen, lauschen wir der Rede des Besitzers:
„Hier kommen selten Wanderer her. Wir liegen zu weit ab, und man tut zu wenig. Aber vielleicht ändert sich das bald. Man hat hier in der Nähe eine der größten Tropfsteinhöhlen Europas gefunden, beim Bau einer Brücke für den ICE, unten am Froschgrundsee. Jetzt kabbeln sich die Behörden. Für uns wär’ die Höhle gut.“
Martins Augen beginnen zu leuchten. Eisenbahn, Brücke, Baustelle, Schienen – das ist nach seinem Geschmack. Damit ist klar, dass wir uns morgen den Brückenbau anschauen werden.
Nun aber müssen wir erst mal ein Nachtquartier finden, nicht in Schalkau, sondern im Freien. Proviant und Wein besorgen wir uns im Ort, und dann zuckeln wir weiter, einem Pfad entlang eines Baches folgend. Es hat wieder angefangen zu grummeln. Über dem Thüringer Wald ziehen mächtige Ambosswolken auf und wachsen bedrohlich in den Himmel.
Der Weg schlängelt sich nun am Fuße eines niedrigen Hanges entlang. Immer wieder keucht einer von uns hinauf, um die Übernachtungsmöglichkeiten dort oben abzuchecken. Unten ist es uns zu feucht. Doch es ist schwer, einen ebenen Platz zu finden. So zieht sich die Suche nach der richtigen Stelle hin, bis ich endlich am oberen Ende einer Hangwiese einen schmalen, einigermaßen ebenen Streifen entdecke, der von einem Zaun begrenzt wird, hinter dem sich eine prallgelbe Rapswiese ausbreitet. Das Gras steht hoch, Grillen zirpen und Abertausende von Insekten schwirren in der Luft, wovon uns einige heftig attackieren. In den Gräsern lauern wahrscheinlich Heerscharen von Zecken. Doch wir haben keine Lust mehr, weiter zu suchen.
Als allererstes balsamieren wir uns den gesamten schweißigen Körper mit dem Abwehrspray ein, fluchend an den bereits vorhandenen Stichen kratzend. Wir sind so sehr beschäftigt mit dem Kampf gegen Mücken und Bremsen sowie mit dem Herrichten des Schlafplatzes, dass wir dem heranziehenden Gewitter kaum Beachtung schenken. Dunkel ist es vor allem über dem Thüringer Wald, und dort sieht man auch die Blitze zucken. Eine fette, pechschwarze Wolke hat sich aber unbemerkt über unser Lager geschoben, ein Ableger aus dem Gebräu über dem Gebirge. Noch wird unser Platz von der tiefstehenden Sonne beschienen. Matten und Schlafsäcke liegen bereits auf dem Boden, der Rest verteilt sich um uns herum.
Ich stehe in Unterhose auf meiner Matte, als es zu regnen beginnt, zunächst vereinzelte, dicke Tropfen, dann ergießt sich der Inhalt der Wolke über uns. Hektisch reiße ich den Biwaksack aus der Hülle und stopfe den Schlafsack hinein, ebenso die Bauchtasche, Fotoapparat und das Navi. Über die Wanderstiefel lege ich den Anorak – der Rest verschwindet im Rucksack. Ich bin schon völlig nass, als ich mir den Regenponcho überziehe und mich auf meiner Matte niederlasse. Es schüttet jetzt aus allen Kübeln. Blitz und Donner folgen beängstigend schnell hintereinander, und der Donnerschlag ist heftig. Martin ist vollständig unter seinem Poncho und Biwaksack verschwunden. Ich sehe nur noch einen grünen, regungslosen Haufen, der keinen Laut von sich gibt.
Die Sache wird jetzt mulmig. Ich zähle die Abstände zwischen Blitz und Donner, und viel Luft bleibt da nicht. Durch mein Gewicht haben sich Kuhlen in der Isomatte gebildet, die jetzt mit Wasser volllaufen. Meine linker Fuß samt Socke ist pitschnass, und mit
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