Von Göttern und Dämonen: Am Anfang war der Nebel (Erstes Buch)
potentieller Gegner.
Er wandte den Blick nach rechts und erstarrte.
An der Stirnseite des Schiffs war ein riesiges Gerüst aus dicken Holzbalken aufgebaut, fast so hoch und breit wie das Mittelschiff selbst. An diesem Gerüst hingen mehrere hundert nackte Menschen. Sie befanden sich in einer Art Trance und waren mit Eisenketten an das Holz gefesselt. Von ihren Gliedmaßen gingen Schläuche nach unten. Die Schläuche waren rot und mündeten in ein riesiges Gefäß aus Glas. Dieses war so breit wie das Gerüst und zwei bis drei Meter hoch. Es war voll. Die Flüssigkeit war rot und Alex wurde mit Schrecken bewusst, dass den Menschen hier das Blut abgezapft und in dem Behälter gesammelt wurde. Neben dem Behälter standen riesige Maschinen und selbst hinter der Tür konnte Alex ihr leises Summen hören. Es musste sich um Kühlaggregate handeln, denn das Glas des Sammelgefäßes war beschlagen und zum Teil leicht vereist. Jetzt verstand Alex, dass die Fotovoltaikmodule nicht nur dazu da waren, dem Dom sein finsteres Aussehen zu geben, sondern dass sie auch das bisschen Licht, das durch den immerwährenden Nebel fiel, in Elektrizität für dieses Kühlbecken umwandelten.
Plötzlich zuckte einer der Menschen am Gerüst und schrie laut auf. Ein Beben ging durch seinen Körper, dann erschlaffte er.
„Verdammt!“, tönte eine Stimme aus der Mitte des Doms. „Passt doch besser auf, da ist schon wieder einer verreckt!“
Ein Vampyr in schimmernder Rüstung mit Abzeichen auf dem Panzer schritt wütend in Richtung Gerüst. „Austauschen, ersetzen und aufpassen! Ich will nicht , dass wieder einer von denen verreckt. Sie brauchen zu lange um Nachschub zu produzieren und ich werde nicht hungern, nur weil ihr zu blöd seid, sie rechtzeitig runterzunehmen, bevor sie ganz ausgelaufen sind!“
Sofort erhoben sich zwei Vampyre in die Höhe, flogen zum Gerüst und hängten den Leichnam ab. Unmittelbar danach brachten zwei andere Vampyre eine junge Frau, ketteten sie an und setzten ihr die Schläuche ein.
„Mein Gott!“, flüsterte Alex.
„Wie ich sagte: Blutbanken oder Sklaven“, entgegnete Arnold. „Sie werden zur Versorgung des Hofstaates hier gebraucht. Draußen liefen wesentlich mehr Menschen als Vampyre herum, ihre Anzahl hier muss immens sein. Wenn ein Mensch überleben soll, kann er nur eine relativ kleine Menge Blut in relativ großen Zeitabständen abgeben. Ich schätze, dass es zehn Menschen braucht, um einen Vampyr so gut gemästet wie diese es sind am Leben zu erhalten.“
„Der Dom hier ist groß, sehr groß. Ich weiß, dass die Notre Dame de Paris rund neuntausend Menschen fassen kann. Und dieser Dom ist voller Vampyre! Das heißt, es dürften mindestens zehn- bis fünfzehntausend Vampyre hier rumlungern, dann müsste es also einhundertfünfzigtausend Menschen geben, die die Vampyre ernähren. Arnold, weißt du was das heißt?!“, fragte Alex.
„Das heißt mehrerlei: Erstens können wir auch dann keinen offenen Kampf wagen, wenn ich alle Kämpfer aus Borderland Castle mobilisiere. Ich habe dreihundert extrem fähige Kämpfer, die gut bewaffnet sind. Aber gegen diese Übermacht machen wir keinen Stich. Zweitens wird es fast unmöglich sein, deine Familie zu finden. Die Menschen müssen irgendwo untergebracht werden und ich kann mir nicht vorstellen, dass dies hier in unmittelbarer Nähe geschehen ist. Der Fels wird fast vollständig vom Dom eingenommen. Seitlich haben nur der Friedhof und ein paar landwirtschaftliche Gebäude Platz. Drittens: Die Menschen müssen also woanders innerhalb der Schutzzone untergebracht sein, um sie den anderen Vampyren zu entziehen. Außerdem werden sie sehr gut bewacht sein, da sie die Existenzgrundlage für dieses dekadente Leben hier darstellen. Alles in allem schlage ich vor, hier abzurücken und die Menschensiedlung zu suchen. Es tut mir leid, mein Freund, hier können wir nichts tun.“
Alex schwieg betreten und dachte nach. „Außer wir kommen direkt an Nagar heran und können ihn zwingen, uns meine Familie auszuhändigen.“
„Leider wirst du da Pech haben. Nagar dürfte hier in seinem Herrschaftsbereich noch weit mächtiger sein, als in deiner Welt. Ihn zu finden, zu überwältigen, zu zwingen, deine Familie herauszugeben und dann unbeschadet von hier zu verschwinden ist unmöglich. Es tut mir wirklich leid, dass das Glück nicht auf deiner Seite ist.“
Doch das Glück war auf seiner
Weitere Kostenlose Bücher