Von Liebe und Gift
„Schlafen kannst du, wenn du tot bist. Was soll das Ganze? Gero hat es doch gefallen …“
„Schon“, konterte Francis. Sie hasste solche Diskussionen am Telefon. Am liebsten hätte sie ihren Bruder dabei in die Augen gesehen. „Aber es spricht so viel dafür, dass du wieder Drogen nimmst.“ Sie dachte an all die Dinge, die ihr in der letzten Zeit aufgefallen waren.
„Du bist launisch, dann plötzlich wieder euphorisch und total aufgedreht. Du hast kaum Appetit, noch bist du müde und hast einen deutlich gesteigerten Sexualtrieb …“
Als sie das aussprach, lachte Neal wieder laut. „So what? Das bedeutet doch gar nichts.“
Francis blieb ruhig. „Andy hat mir sämtliche Symptome der Kokainsucht geschildert. Und nun erzählt Gero auch noch, dass du dich so auffällig verhältst.“
„Das ist mir echt zu bescheuert …“, gab Neal gereizt von sich, aber seine Schwester ließ nicht locker.
„Ist es denn wahr?“, fragte sie erneut. Es klang flehend. „Bist du rückfällig geworden? Neal, bitte, sag es mir. Wir können doch darüber reden, wenn du Probleme hast.“
Obwohl sie sich so besorgt anhörte, lehnte Neal jegliche Hilfe ab.
„Ich habe keine Probleme“, sagte er. „Und ich muss Schluss machen.“ Er sah auf die Uhr. „Wir sehen uns.“ Ohne auf ihre Antwort abzuwarten, legte er auf.
Kurz darauf erschien Neal in der WG. Er wollte Gero noch einmal ausführen, den gemeinsamen Urlaub damit quasi abschließen.
Aber kaum hatte Neal das Zimmer seines Freundes betreten, kam es zu einer heftigen Diskussion.
„Was erzählst du Francis, dass ich in New York rastlos und aufgedreht war?“
Gero, der am Schreibtisch saß, erhob sich ganz perplex. „Habe ich gar nicht. Ich habe nur erzählt, dass wir viel unternommen haben.“
„Aber warum hält sie mir denn vor, dass ich mich komisch verhalte?“
Neals Augen waren durchbohrend. Aber Gero konnte nur mit den Schultern zucken. Er hatte ja keine Ahnung. Er wusste nicht, was vor sich ging. Er wusste noch weniger als Francis.
„Ich weiß nicht, was du meinst“, gab Gero demzufolge zu verstehen. Neal nickte. Er hörte auf mit seinen Fragen. Es würde nichts bringen. Es würde ihn vielleicht nur verraten, und das wollte er unbedingt vermeiden.
„Ist schon okay“, sagte er stattdessen und er strich seinem Freund über die Wange. „Lass uns schön ausgehen, heute, ja?“
Gero nickte erfreut und verschwand im Bad, um sich zu erfrischen. Neal wanderte derzeit in dem Zimmer umher. Plötzlich machte er Halt vor dem Bücherregal, in dem zahlreiche Medizinbücher standen. Er wurde neugierig. Mit flauen Händen griff er nach einem der Bücher. Es handelte sich um ein Buch über Psychiatrie, in dem ebenso diverse Suchtproblematiken aufgelistet wurden. Neal nahm am Schreibtisch Platz. Wie besessen schlug er die Seite auf, die einiges über Kokainmissbrauch offenbarte. Immer mit einem schnellen Blick zur Badezimmertür, las Neal sich alles genau durch. Und schließlich stieß er auf einige Zeilen, die ihn augenblicklich nachdenklich stimmten:
Was die Therapie angeht, sind beinahe alle therapeutischen Versuche, die Kokainabhängigkeit zu beeinflussen, gescheitert. Die Einzige gut belegte Ausnahme ist die Verschreibung von Heroin, denn Patienten mit legalem Heroinbezug reduzieren ihren Kokain-Beikonsum oder schränken ihn drastisch ein … Kokain kann aggressiv machen. Es macht psychisch stark abhängig, da sich der Konsument für kurze Zeit allmächtig und großartig vorkommt. Heroin hingegen beruhigt stark, unterdrückt Schmerz und macht eher "glücklich"…
Die Badezimmertür wurde wieder geöffnet. Neal schlug das Buch augenblicklich zu. Mit großen Augen sah er seinen Freund an.
„Du liest in meinen Büchern?“, fragte Gero erstaunt. Aber Neal schüttelte nur hektisch den Kopf. Was er gelesen hatte, reichte ihm. Schnell stellte er das Buch zurück ins Regal. „Ich sollte das lieber lassen. Was darin steht, kann einem ja Angst machen.“
VIII .
Der Sommer zeigte sich inzwischen von seiner besten Seite. Oft kam es vor, dass sich Gero nach der Uni zu Neal in den Garten begab. Dort konnte er sich ausruhen und auch mal im Pool schwimmen.
An einem dieser entspannten Nachmittage, studierte Gero seine Medizinbücher und Neal lag in Badehose auf einer Liege, als die Hunde im Vorgarten laut anschlugen.
Neal verdrehte die Augen. „Wer ist denn da vorne?“
Auch Gero richtete sich auf. Im Garten hatten sie kein
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