Von nix kommt nix: Voll auf Erfolgskurs mit den Geissens (German Edition)
versammelte Gendarmerie. Wie auch immer: Wir konnten uns hier wahrscheinlich nie wieder blicken lassen. Die ganze Nacht über machten wir fast kein Auge zu. Wir beschlossen, uns eine Ausrede für unser Verschwinden einfallen zu lassen und die Rechnung am Folgetag zu bezahlen. Selbst wenn es uns den restlichen Urlaub kosten sollte. Nach einer wenig erholsamen Nacht trafen wir am nächsten Morgen unsere seltsam tiefenentspannte Freundin wieder.
»Das gestern war nicht in Ordnung«, sagten wir zu ihr. »Wir haben deshalb kaum geschlafen. Wir gehen da jetzt hin und werden das bezahlen!«
Aber erstaunlicherweise lachte sie nur: »Doch, doch, Leute! Das passt schon. Macht Euch keine Sorgen.«
Sie klärte uns darüber auf, dass uns ihr Freund eingeladen und vor unserer Flucht die Rechnung längst bezahlt hatte. Sie hatten sich mit uns nur einen kleinen Spaß erlaubt. Wir waren sauer! Aber auch total erleichtert. Das bedeutete, dass wir doch noch bleiben konnten!
In den folgenden Tagen stellte sie uns einer Handvoll wichtigen Typen vor, die gerade ebenfalls in SaintTropez Urlaub machten oder mit ihren Yachtendort vor Anker lagen. Bei diesen lockeren Cocktailpartys lernten wir zum Beispiel den sehr hemdsärmeligen Eigentümer von Jack Daniel’s kennen. Außerdem trafen wir, praktisch als Gegensatz dazu, einen eher verspannten deutschen Top-Manager. Zu guter Letzt wurden wir noch mit einem schwerreichen und lebensfrohen französischen Reeder bekannt gemacht.
Diese Gelegenheit musste ich nutzen, dachte ich mir. Daher versuchte ich jedes Mal, den üblichen Smalltalk über Wetter und Weinjahrgänge schnell abzuhaken und das Gespräch auf Themen zu lenken, die mich wirklich interessierten. Nur dann konnte ich etwas lernen, was ich eventuell für meine weitere geschäftliche Laufbahn brauchte. Dabei erfuhr ich zwar nicht, wie man es wirklich vom Tellerwäscher zum Millionär brachte, aber immerhin wurde mir manch interessanter Zusammenhang klar. Und ich erhielt den ein oder anderen guten Rat.
Doch keine Begegnung hat mich so sehr beeindruckt wie das, was ich eines schönen Spätnachmittags durch Zufall entdeckte. Gut die Hälfte unserer Ferien war bereits um. Ich saß mit Carmen gemütlich in einem Café an der Hafenpromenade. Da fiel mein Blick auf ein unglaublich elegantes Boot, das in diesem Moment genau gegenüber anlegte. Das Teil war ohne Übertreibung eine Mega-Nummer. »XOXOXO« hieß das Ding. Es war sage und schreibe ein-und-zwanzig-ein-halb Meter lang und kam von Leopard, einer italienischen Edel-Werft, die sich auf absolute Luxusyachten spezialisiert und von der ich bis dato nur gehört hatte.
So etwas kannte ich nicht! Was mochte das wohl gekostet haben? Mir schossen tausend Gedanken durch den Kopf. Plötzlich fühlte ich mich unwohl in meiner Haut. Ich hockte hier mit Carmen bei einer Tasse Kaffee in der Sonne. Doch vielleicht ging es zu Hause in der Firma gerade drunter und drüber! Und was fast noch schlimmer war: Wir ließen uns ein paar Tage zuvor ein Essen für einen Tausender schmecken. Aber wir hätten uns das selbst gar nicht leisten können, wenn wir nicht eingeladen worden wären!
War es das, was ich wollte? Wollte ich mich darauf verlassen, dass alles weiterhin gut funktionierte, auch wenn ich mal die Füße hochlegte? Wollte ich von der Großzügigkeit anderer abhängig sein, wenn es darum ging, sich mal etwas Besonderes leisten zu können? Und, auf den Moment bezogen: Wollte ich am Ende des Tages immer nur beeindruckt auf die Yachten von Fremden glotzen?
Die Antwort war klar, und ich gab sie mir gleich selbst: Nein, das wollte ich nicht! Ich wollte es selber schaffen, mit meiner eigenen Hände Arbeit. Dorthin, auf die andere Seite der Promenade, wo gerade diese unglaublich geile Leopard-Yacht vor Anker lag, dorthin wollte ich irgendwann einmal auch kommen. Zumindest im übertragenen Sinn. Und wenn ich dann mal dort wäre, könnte ich mir ja noch überlegen, ob ich mir auch so ein Bötchen leisten würde. Ich konnte auf keinen Fall länger hier in der Hitze Südfrankreichs vor mich hin schmoren. Ich musste dringend wieder was tun!
»Wir fahren nach Hause«, sagte ich zu Carmen.
»Was erzählst Du da für einen Blödsinn, wir haben doch noch eine Woche«, lachte sie. Aber ich meinte es verdammt ernst. Carmen schluckte.
»Komm schon, lass uns packen. Ich muss wieder schaffen«, entgegnete ich. Die Frau verstand natürlich die Welt nicht mehr. Aber sie wusste, dass es keinen Sinn hatte, mir das
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