Von nix kommt nix: Voll auf Erfolgskurs mit den Geissens (German Edition)
durch die Kölner Innenstadt bummelten, zog mich Robert zur Seite und wurde auf einmal ganz ernst.
»Wir müssen hier weg, auf andere Gedanken kommen«, sagte er. »Lass uns wieder nach Spanien fahren!«
»Ich seh’ das genauso. Lass uns das machen«, antwortete ich. Wenn Du liebst, dann mit Leib und Seele, dachte ich bei mir.
So fuhren wir also zum zweiten Mal mehr oder weniger inoffiziell gemeinsam nach Calpe an die Costa Blanca. Natürlich hatten wir kaum Geld, und zu allem Überfluss begann dort gerade die Saison. Wir fanden als potenzielle Bleibe nur ein einziges Appartementhaus in zweiter Reihe, das noch ein Zimmer frei hatte. Die Bude war sauber, hatte aber lediglich vierzig Quadratmeter und eine winzige Kochnische im Wohnzimmer. Trotzdem kostete sie rund fünfhundert Mark pro Woche. Wir rechneten hoch, wie lange wir bei unserem Budget hierbleiben konnten und kamen zu dem Schluss, dass der Preis viel zu teuer für uns sei.
Robert hatte eine viel bessere Idee: Das preiswerteste Leben würden wir in einem Zelt haben! Die Tage waren mittlerweile schön warm und die Nächte angenehm mild. Ich fand den Gedanken super-romantisch, und so kauften wir uns im Ort eine komplette Ausrüstung mit stabilen Alustangen, zwei Isomatten, Schlafsäcken und einem Gaskocher. Die beiden Zeltplätze am Ortsrand verlangten jedoch immer noch gute zwanzig Mark am Tag. Deshalb gab es nur noch eine Alternative, und die war nicht nur kostenlos, sondern vor allem richtig gemütlich: Wir beschlossen, im Wald zu campen.
Wir zogen los und suchten uns ein lauschiges Plätzchen. Am Anfang gestaltete sich das schwieriger als gedacht: Entweder das Gelände war zu abschüssig oder zu feucht. Ein Waldstück war zu nah am Ort, ein anderes zu weit entfernt. Wir fuhren mit Roberts Auto in der Gegend herum und entdeckten entlang der Küstenstraße von Calpe nach Altea eine Baustelleneinfahrt. Wir bogen hinein und standen wenige Minuten später oberhalb einer Bucht, die offensichtlich irgendwann einmal ein Yachthafen werden sollte. Es war einfach die perfekte Location für uns zwei: einigermaßen geschützt, mit Blick aufs Meer und nicht allzu weit entfernt von der Straße, falls man mal schnell was zu essen oder zu trinken kaufen wollte.
Am nächsten Morgen wachten wir in aller Frühe auf, weil ein Lastwagen nach dem anderen mit lautem Getöse Steine ins Meer kippte. An Schlaf war nicht mehr zu denken, also setzten wir uns vor unser kleines Zelt und beobachteten die Männer bei der Arbeit. Wir hatten ja keinen Stress, insofern war uns der Lärm nicht unangenehm. Außerdem waren die Arbeiter sehr freundlich. Ab dem dritten Tag begrüßten sie uns immer schon freudig, wenn wir ihnen auf unserer improvisierten Terrasse zuschauten.
Ein Stückweit oberhalb von uns, mit einem etwas besseren Blick auf die Bucht, befand sich, wie wir kurz darauf feststellen sollten, der Landsitz der Familie Osborne. Und weil die guten Osbornes sich um ihre weltbekannte Brandy-Produktion kümmern mussten, hatte ihre Haushälterin offenbar genug Zeit, um unser Vagabunden-Dasein ausgiebig von dort oben zu begutachten. Nach ein paar Tagen kam sie schließlich zu uns runter. Sie konnte zwar kein Wort Deutsch oder Englisch, und wir sprachen kaum Spanisch. Trotzdem verständigten wir uns irgendwie mit Händen und Füßen – und freundeten uns prompt mit ihr an.
Was ich trotz aller Sprachbarrieren gleich verstand war, dass sie ursprünglich Friseuse gelernt hatte, bevor sie beim Branntwein-Adel als Mädchen für alles anfing. Und weil ich nicht wollte, dass die Gute aus der Übung kommt und sie mich als Versuchsobjekt für geeignet hielt, stapfte ich ab diesem Moment tatsächlich zwei Mal wöchentlich ins Osborn’sche Anwesen hinauf, um mir die Haare machen zu lassen. Ja, ich wollte auch beim Wildcampen schön aussehen. So wurde eine echte Leidenschaft von mir geboren!
Wir lebten eine Zeitlang einfach in den Tag hinein, gingen ab und zu nach Calpe oder Benidorm zum Essen oder spazierten in der Gegend herum. Es war einfach zu schön, gemeinsam Tage und Nächte zu verbringen, so ganz ohne einen Gedanken an Arbeit, Schule oder sonstige Verpflichtungen. Doch es kam natürlich, was kommen musste: Nach ein paar Wochen ging uns das Geld aus. Es gab nur eine Möglichkeit: Wir mussten zurück zu unseren Familien und die Sache anständig klären. Soll heißen: Robert und ich mussten endlich offen mit unseren Eltern sprechen und uns ernsthaft überlegen, wie wir unser gemeinsames
Weitere Kostenlose Bücher