Voodoo Holmes Romane (German Edition)
wir kamen, eine Insel genannt wurde. Ein stolzer Platz mit Reiterstandbild, dann ging es rechts in die Promenade und an einer kleinen Gaststätte vorbei in eine winzige Gasse, in der wir aussteigen mußte, weil hier das Fuhrwerk nicht durchkam. Ein Überbleibsel des Mittelalters war die Rosengasse, und auch die Wohnung im ersten Stock des Hauses, die uns erwartete, war dunkel und winkelig und mit einem schrägen Boden wie man das aus alten deutschen Fachwerkbauten kennt, aber ich war zu müde, um darüber noch nachzudenken. Kaum hatte man mir mein Lager gezeigt, legte ich mich darauf und es wurde Nacht um mich, obwohl draußen längst die Menschen liefen und lärmten und die Herbstsonne gerade zaghaft den Nebel durchdrang.
Der Bamberger Reiter
Am Nachmittag erwachte ich erfrischt, nahm beschwingt die Bartbinde ab, um mir ein bißchen die Haare zu strählen, zupfte ich meine Augenbrauen und Nasenlöcher und Ohren ab, da sich dort Wildwuchs zeigte und massierte mir die Wangen mit etwas Porphyreiaöl ein, von dem ja bekannt ist, daß es den Alterungsprozess auch der männlichen Haut deutlich verzögert. Mein Gesicht war blass, und ich hatte Ringe unter den Augen, wie ich im Spiegel feststellte. Nun gut, da waren wir also in Bamberg angekommen, resümierte ich. Unser Gepäck war natürlich mit dem Orientexpress nach London weitergefahren und wir führten nur unser Handgepäck mit uns. Das begrenzte die Möglichkeit eines Aufenthaltes enorm. Ich hatte Holmes in aller Klarheit dargelegt, daß wir längstens drei Tage hier in der Stadt verbleiben konnten, dann müsse der Fall gelöst sein, und er versprach mir, daß es so kommen würde. Da war ich sehr erleichtert. Ich hatte nämlich nur zweimal Unterwäsche dabei, und der Gedanke, mir bayerische Lederhosen als Ersatz für meine seidene Leibwäsche anschaffen zu müssen, war mir ein Gräuel. Ich klopfte an Holmes’ Tür. Er war schon wach, und ließ sich sogleich dazu motivieren, mit den Ermittlungen zu beginnen. Auch der Professor hatte sich bereits frisch gemacht und erklärte sich, wie er meinte, zu allen „Schandtaten“ bereit. Eine dieser merkwürdigen deutschen Floskeln.
Die Innenstadt war relativ klein und übersichtlich. Wenn man von der Rosengasse auf den Markt trat, mußte man diesen an vielen Buden vorbei bis zum linken Regnitzarm gehen und kam dabei an einem schönen breiten Platz mit großen, mächtige Geschäftsgebäuden vorbei, über den Grünen Markt und Obstmarkt bis zur Brücke, die durch ein im Fluss stehendes, bunt bemaltes Gebäude geschlagen war. Dabei handelte es sich um das Rathaus der Bürger, wie ich von unserem Gastgeber erfuhr. Auf der anderen Seite änderte sich das Stadtbild. Die Gassen wurden schmäler, die Häuser älter und waren an manchen Stellen barock verschnörkelt. Zum Dom hoch ging es auf einer kleinen Treppe, die auf das Plateau führte. Hier erwartete uns ein prächtiger mittelalterlicher Platz mit einem alten Verwaltungstrakt aus dem 11. Jahrhundert, den man die „Alte Hofhaltung“ nannte, eine ehemalige kaiserliche Pfalz, und einem Renaissancepalais, das als „Neue Residenz“ bezeichnet wurde. Das Kernstück des Platzes aber bildete der gotische Dom aus dem zwölften Jahrhundert, fürwahr eine der ehrwürdigsten Gotteshäuser, die mir jemals begegnet sind, wenn auch keineswegs das größte. Ich folgte mit dem Augen dem Zeigefinger des Professors, der auf den Abschnitt der Fassade hinwies, in dem die hohen Fenster eingebracht waren. „Sehen Sie das?“ fragte er. Ich musterte die Fensterumrahmung, die sich dadurch auszeichnete, daß in knappen Abständen kugelige Gebilde einen plastischen Effekt erzeugten. Dabei handelte es sich einerseits um
Weitere Kostenlose Bücher