Voodoo Holmes Romane (German Edition)
bisschen die Chronologie. Wir waren hinab in das Kircheninnere gestiegen, als Professor Beckstein einen Anfall bekam. Er würgte, und dann hustete er nur mehr, und je mehr er hustete, desto stärker blutete er, und es entstand dabei inmitten der Neugierigen und Gläubigen, die das Kircheninnere säumten, eine große Unruhe. Ich konnte dem alten Herrn nicht helfen, die Blutung drang aus seiner Lunge, man konnte ihn eigentlich nur dazu auffordern, nicht mehr zu husten, um den Reiz zu stillen, und ich saß gekrümmt über dem leichenblass gewordenen Greis inmitten eines Kreises von Blut, den er mit seinen fast wie in einem Delirium zuckenden Stiefeln gezeichnet hatte. Es war direkt unheimlich, als schließlich eine Droschke gerufen worden und Professor Beckstein zum Bürgerspital geschafft worden war, das nahe gelegen an dem von der Michaeliskirche gekrönten Hügel prangte, diesen Kreis aus Blut näher zu besehen. Teils durch Unruhe, teils, weil er sich von mir gefesselt fühlte, hatte sich der Blutende um die eigene Körperachse gewunden und dabei einen roten, rundlichen Bezirk in direkter Nähe des Bamberger Reiters auf den Boden gemalt. Mit etwas Phantasie konnte man darin so etwas wie Absicht erblicken, denn wir waren gedanklich so stark auf das Bild einer Rose vorbereitet, daß wir natürlich zwangsläufig in dem Geschmiere diese Pflanze erblickten. Warum es nun gerade vor dem Reiterstandbild zum Paroxysmus gekommen war? Ich erinnere mich, daß Professor Beckstein die Statue beschrieben hatte. Es handelt sich dabei um die naturgetreue Darstellung eines Reiters auf einem Pferd, lebensgroß und bis ins Detail dargestellt im 13. Jahrhundert, aber so lebensnah, daß man den Eindruck hätte, es handle sich um einen lebendigen Schauspieler, der da oben saß. Früher, so unser Gastgeber und Fremdenführer, sei die Figur auch bemalt gewesen. So, wie sie da stand, hatte sie in einer Kirche nichts zu suchen, und das war es, so Professor Beckstein, was ihn auf die Idee gebracht hatte, diese Gestalt sei der Schlüssel zu allem. Und dann sagte Holmes: „Ist Ihnen eigentlich aufgefallen, daß der Sockel, auf dem die Figur steht, wie Wurzelwerk wirkt, aus dem ein Gnom hervorblickt?“
In dem Moment war es um den alten Mann geschehen. Er begann zu husten, und dann erlitt er diesen dramatischen Blutsturz, der uns alle erschreckte und einen Auflauf von Menschen um uns herum erzeugte.
Was aber war zuvor noch geschehen? Wir hatten auf die Decke des Doms gestarrt, wo zwei Masken prangten, wie von Kinderhand gemalt. Sie streckten die Zungen heraus, und Professor Beckstein sprach die feste Überzeugung aus, auch dies sei ein Hinweis damit, daß mit dem Dom etwas nicht stimme. Die Masken hätten keine christliche Bedeutung – warum aber verhöhnten sie uns? Sollte damit ausgedrückt werden, daß Gott uns verlachte und diese Kirche nur Schein sei und keinen Schutz bieten könne?
Als wir vor dem Bau standen und uns umblickten, ging eine Gruppe von Fremden an uns vorbei und es fiel das Wort „Rosengarten“. Wir erkundigten uns bei einem Einheimischen, was damit gemeint sei, und er betrachtete uns wie Dummköpfe und drehte dann schweigend den Daumen in die Richtung der „Neuen Residenz“. Als wir dort durch das Tor gekommen waren, begriffen wir, warum er sich über unsere Begriffsstützigkeit gewundert hatte. Im Innenhof war dieser Rosengarten durch eine Mauer abgetrennt und überblickte die Stadt. Die Rosenbeete, die ihm den Namen gaben, waren jahreszeitlich abgeblüht, verkümmert und leer. Trotzdem war der Garten auch im November einer der schönsten Ausblickspunkte, und es gab dort im Pavillon auch ein Café, in dem wir uns laben konnten. Zwar war es in seinem
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