Voodoo Holmes Romane (German Edition)
darauf ertönte ein Fauchen, und dann noch ein Schuss. Da ballerte ich ebenfalls los, fast blind, in das Dunkel, aus dem nun ein Röhren zu hören war, oder eher ein lautes Seufzen und etwas Knorpeliges, dann ein schwerer Fall, ein Krachen und Poltern, und es war still. Im nächsten Moment kniff ich die Augen zusammen, als es im Laden elektrisch hell wurde. Wie eine Wildkatze sprang da Holmes vom Lichtschalter nach vor, wo auf dem Boden der große, reglose Leib eines ausgestopften Leoparden lag. Dessen Beine waren an einem halbrunden Standholz befestigt, was schon auf den ersten Blick bewies, daß uns die Nerven durchgegangen waren und wir auf eine ausgestopfte Puppe geballert hatten. Ich stellte mich also beschämt und zugleich noch ziemlich außer Atem neben Holmes, der sich vor das Präparat auf den Boden gehockt hatte und sich gerade nachdenklich am Kopf kratzte. Und nun geschah das Unerwartete: Aus den Schusslöchern im Leopardenfell tropfte eine Flüssigkeit. Blut? Nein. Es schien sich um etwas öliges Bräunliches zu handeln, das man offenbar beim Ausstopfen verwendet, und das einen schweren, lähmenden Geruch verströmte. Mir drohten davon die Sinne zu schwinden, und auch Holmes schien blass, als er diese Flüssigkeit mit einer Phiole aufzufangen versuchte. Anschließend drehte er einen Verschluss auf die Phiole, schob sie in die Tasche und wies mich kurz angebunden an, das Tier wieder auf den Sockel heben zu helfen, von dem es durch unsere Schüsse gepoltert war. Dann verwischten wir unsere Spuren, löschten das Licht und verließen den Tatort.
Am folgenden Sonntagmorgen erwachte ich spät nach traumlosem Schlaf und begab mich sogleich in die Baker Street, um mit den Gebrüdern Holmes die Vorfälle der vergangenen Nacht zu besprechen.
3
Ich fand meinen Freund Sherlock in aufgeräumter Stimmung vor. Er hielt mir, kaum war ich eingetreten, einen abgegriffenen Band hin, der, wie ich dem Umschlag entnahm, die Erkenntnisse des großen Ägyptologen Samuel B. Heerwald beinhaltete.
“Ihr seid in der vergangenen Nacht ein schönes Stück weitergekommen, Watson“, triumphierte Holmes, dessen Zeigefinger auf einer Stelle ruhte, wo jene Essenzen vermerkt waren, mit denen im alten Ägypten Einbalsamierungen vorgenommen wurden, darunter auch das Öl der Porphyreia, einer numidischen Kletterpflanze, wie Holmes nebenbei erwähnte.
“Sie denken doch nicht etwa...“ begann ich, und er nickte.
“Ich habe es bereits durch Chemoanalyse schlüssig beweisen können, daß es sich tatsächlich um Porphyreiaöl handelt“, gab er zu Antwort. „Die Wirkung ist, wie Heerwald schreibt, nicht nur adstringierend, sondern auch unter bestimmten Temperaturverhältnissen phälokisierend und in Verbindung mit Schwefeläthylsalicylat sogar sarangiodal. Porphyreiaöl hatte im Altertum vielerlei Anwendungen bei Mensch und Tier. So diente es den Römern unter anderem als Potenzmittel. Bei den Stadionrennen verlieh es den Renntieren nicht nur glänzendes Haar und vermehrte Muskelkraft, sondern sorgte auch für große Schnelligkeit der Tiere. Da es zugleich den Alterungsprozess beschleunigte, fand es allerdings nur bei Kurzstreckenrenntierrennen Anwendung. Abgestorbenes Gewebe behält unter Porphyreiaöl seine natürliche Farbe durch einen Oxidationsprozess, wirkt dabei lebensähnlich rosig und gut durchblutet. Das Wichtige dieser Erkenntnisse: Die Präparate in dem Laden sind keineswegs ausgestopft, sie beinhalten das ursprüngliche Gewebe der Tiere, einbalsamiert mit Porphyreiaöl. Es sind also Mumien. Und wie alt sie sind, das steht dahin. Vielleicht waren es Opferbeigaben in alten Gräbern. Es könnte
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