Voodoo Holmes Romane (German Edition)
London jedes Kind weiß, nämlich daß Lady Hampton von ihrem ersten Ehemann mit Rosen gewonnen wurde. Er begann schon im reifen Alter von 42 Jahren um sie zu werben, die gerade erst geboren worden war. Fortan schickte er dem Säugling so lange, bis er zu einer ansehnlichen Dame herangewachsen war, jeden Tag eine Rose, anfangs kommentarlos, vom sechsten Lebensjahr an dann gemeinsam mit einer kleinen Botschaft, die anfänglich der Phantasie eines Kindes sehr gut angepasst war, und später auch die aufblühende Jungfrau zu entzücken wusste. Als sie dann 18 Jahre alt war (Lord Hampton war zu dem Zeitpunkt bereits 60 Jahre alt, ein rundes Datum, das einen langfristig gehegten Masterplan bezüglich seiner Ehe nahe legte) wurde geheiratet. Es kam dann im Gegensatz zu aller Romantik, die im Bild der Rose festgehalten war, genauso, wie man es vermutet hatte. Die zwei Generationen, die zwischen den Eheleuten lagen, waren unüberbrückbar, und die Liebhaberin der Rose begann schon nach kurzer Zeit ihren Fanatismus für diese Pflanze, der ihr freilich von Geburt an eingebläut worden war, zu bereuen. Die Ehe brachte fünf Kinder hervor und dauerte bis zum 90. Lebensjahr Lord Hamptons, als er an seinem Geburtstag einen Blutsturz erlitt und gnädig verschied. Einen Monat später – und hier beginnt der zweifelhafte Teil der Geschichte – heiratete seine Fy ein zweites Mal, und zwar den Gärtner. Man kann sich vorstellen, daß die wohlbekannte Manie der oberen 10.000, ihre Gärtner zu Böcken zu machen, etwas damit zu tun hat, daß sich junge Menschen noch nach Pflanzen zu bücken wagen, da sie nicht gleich von ihrem Rücken dafür gestraft werden. Diese Fitness im Rückenbereich gilt dann auch für die Funktionstauglichkeit der meisten anderen Körperteile, und so kam es auch im Falle Lady Hamptons. Offenbar hatte sie schon über Jahre ein höchst skandalöses Verhältnis zum zweiten Mr. Hampton gepflegt, und das im Garten in einem Pavillon, den man das Rosenhaus nannte. Alle weiteren Details will ich hier unerwähnt lassen bis auf die Aussage der Dame, ihr zweiter Ehemann habe sie mit den Rosen, und gemeint ist hier wohl vor allem das Botanische, im Innersten versöhnt. All das, diesen fürchterlichen Klatsch und mehr, bekommt man übrigens vor allem nachmittags im Shay Club serviert, weshalb ich zu diesem Zeitpunkt eher selten dort bin.
Wir standen also in der Bibliothek, ein Ort, der dem zweiten Mr. Hampton Hohn sprach, denn er war des Lesens gar nicht kundig. Maddox stellte sofort ein strenges Verhör mit ihm an, aber er schien auch des Hörens nicht kundig zu sein und stritt jede Beteiligung am Tod seiner Ehefrau ab. Zwar sei er verschuldet, ja, zwar sei er verzweifelt gewesen und habe keinen Ausweg mehr gesehen, auch das stimme, und er wusste auch, daß seine Frau erwogen habe, ihn zu enterben. Da sie ihn aber geliebt habe, sei das nicht passiert, und so habe er auch keinen Grund gehabt, sich ihrer zu entledigen. Es stellte sich nun heraus, daß Mr. Hampton während der gesamten letzten Woche in die Schlafkammer seiner Frau eingedrungen war, um mit ihr zu reden. Ja, sie hätten angeblich Nacht für Nacht mit immer wüster werdenden Streitereien, Anwürfen und Schweigen miteinander verbracht, so er.
„ Ein Rekord, wenn man bedenkt, wie viel Zeit sie vorher mit ihr verbrachten“, merkte Maddox sardonisch an.
Mir fiel, als Mr. Hampton sprach (er hatte schrecklich gelbe Zähne) ein, daß Rosen Dornen haben. Wo das schmeichelnde Wort einmal Blüten und dem Duft der Rose gleichzusetzen sind, können Worte stechen wie spitze Gegenstände. Aber wahrscheinlich ist eines ohne das andere im Leben nicht zu haben. Andererseits, Tulpen ...
„ Ich habe sie geliebt, Inspektor“, wiedersprach der Gescholtene
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