Voodoo Holmes Romane (German Edition)
von den Helfern, die mir anfänglich beigesprungen waren, nicht entfernt werden konnte. Nachdem man festgestellt hatte, daß ich noch atmete, beließ man es vorerst dabei, das sperrige Dickicht entfernen zu wollen. Man war froh, daß ich die Sache überlebt hatte. Der Rosenstrauch war einer von mehreren gewesen, die am Dachsims des Hotels zum Schmuck untergebracht waren. Er stand in einer riesigen Schale, die sich vermutlich durch Windeinwirkung bewegt hatte und in die Tiefe gekippt war. Glücklicherweise schlug der Rand der Schale auf ein Kapitel des Vordachs, sodaß sie schon in Stücke zerbrach, bevor ich getroffen wurde. Ich hatte es dann nur mehr mit dem Strauch zu tun, und mit dem Erdreich, in dem sich seine Wurzeln festgekrallt hatten. Leider fiel der Strauch kopfüber, wodurch ich wie von Lanzen ins Visier genommen wurde, deren Spitzen mich zwar verfehlten, mich aber stangenartig von allen Seiten umgaben und ins Pflaster rammten, wobei mich vielerlei Dornen spickten. Der Großteil wurde hier von Hut und Kleidung abgefangen, und doch blutete ich aus mehreren Wunden und mußte in einer nahen Krankenstation in einer beinahe zweistündigen Operation an Kopf, Hals und Schultern von holzig harten Dornen befreit werden, wobei der ungarische Kollege bezüglich des Infektionsrisikos bedauernd den Kopf wiegte. Mit Jodlösung getränkt, am ganzen Oberkörper eingebunden wie eine Mumie und mit einem höllischen Kopfschmerz lag ich abends im Hotel, als Holmes eintrat und mich mit der Nachricht überraschte, daß der Rosentopf keinesfalls aus eigener Kraft vom Dach des Hotels gekippt sein konnte, sondern eindeutige Anzeichen für ein Attentat bestanden. Er hatte Fußspuren gefunden, Abdrücke von Militärschuhen. Wenig später trudelte an der Rezeption dann auch noch ein Bekennerschreiben ein, und die Erkenntnis, daß man mich mit einem Habsburger verwechselt hatte, der in der österreichisch-ungarischen Thronfolge an 14. Stelle stand. Es waren serbische Separatisten, die aus wenig stichhaltiger Quelle erfahren hätten, daß sich dieser Franz Johann Adalbert von Habsburg-Lothringen inkognito in unserem Hotel, dem „Varazdin“, aufhalte. Während mir die örtliche Polizei drei Mann hoch diese Kenntnisse übermittelte (Holmes hielt sich schweigend im Hintergrund des Raumes auf) überkam mich Fieber und große Übelkeit, worauf ich mich in einem Schwall übergab. Ich zitterte am ganzen Leib und bat alle außer Holmes, den Raum zu verlassen. Als er sich dann besorgt über mich beugte, flüsterte ich: „Ein Rosenstrauch, verstehen Sie, Holmes? Es hat etwas zu tun mit der Rose, das spüre ich.“
„ Nicht sprechen“, ermahnte er mich. „Sie haben eine Gehirnerschütterung erlitten, Watson. Gönnen Sie sich ein bisschen Schlaf. Morgen ist alles anders.“
„ Die Wahl der Waffen, Holmes“, stammelte ich, „bedenken Sie die Waffe ...“
Unter diesem Gedanken wurde ich ohnmächtig.
Wie kamen wir überhaupt in diese Stadt? Mit dem Orientexpress. Die Gebrüder Holmes hatten die Angewohnheit, einmal im Jahr eine Badereise zu unternehmen. Und zwar reisten Sie dabei gemeinsam, urlaubten aber an verschiedenen Orten. Sherlock freut sich immer wieder, Zeit mit seinem Bruder zu verbringen, der sich ja sonst gerne rar macht. Nach einigen Tagen aber, die wir uns im Express kulinarisch verwöhnen lassen und dabei reichlich alkoholischen Getränken und Zigarren zusprechen, hat sich der Reiz dieser Gemeinsamkeit abgenutzt und Sherlock ist insgeheim froh darüber, daß Voodoo den Zug in Budapest verlässt. Von Sherlock weiß man ja mittlerweile, daß er den scharfen hellen Anstoß von Kokain, die klare, abgehobene
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