Vor dem Fest
Nachdenken: »Für Frankreich will ich aber nix machen.«
Ulli nickt.
»Ja, und der war hier auch drauf?«
»Nee. Aber dem hätt’ ich’s gegönnt.«
»Mhm.« Lada lehnt sich links gegen den Findling, Ulli rechts. Sie sehen in die Wolken, die Thälmann hoch und runter, sie sehen einen Fuchs, scheiß Füchse.
Die Fähe schmeckt die beiden malzigen Männchen, wahrt Abstand, macht sich auf Richtung Gewässer.
»Wart ihr das, mit dem Hitler?«, fragt Ulli.
Lada schüttelt den Kopf und fingert den Stummel aus dem Loch im Findling.
»Wer war’s?«
»Niemand.« Lada spuckt.
»Ja, naja …« Ulli hebt fragend die Bierflasche. »Noch eins?«
»Lass ma. Muss früh raus.«
»Seit wann ist das ein Problem?«
Lada sieht dem Findling in die Augen. »Der Suzi und ich entrümpeln heut Nacht den Eddie«, sagt er langsam, in Gedanken.
»Unseren Eddie? Mannmannmann.«
Lada denkt nach. Wenn Lada nachdenkt, blinzelt Lada häufig.
»Wenn ihr bis neune fertig seid«, sagt Ulli, »kommt mit zu Netto .«
» Netto ist scheiße. Fahr doch zu Kaiser’s . Fürs Fest, weißt du? Ich hab so ein Gefühl.« Lada grinst jetzt, als hätte er was ausgeheckt. Er legt dem Stein die Hand auf die Stelle, wo die Tafel gewesen sein muss. »Irgendwie hab ich auf einmal ein gutes Gefühl. Auch das mit dem Fleisch für die Männer: Mach’s. Ich glaub, morgen wird gut.«
Lada spuckt zum Abschied, salutiert und schlendert die Thälmann hinunter im stärker werdenden Regen. Ulli und der Findling sehen ihm hinterher.
Am Sportplatz zwischen Vereinshaus und Kegelbahn steht ein Stein. Wir haben Namen und Hoffnungen daran angeschlagen. Hat nichts gebracht.
Der Gedenkfindling gedenkt niemandem mehr. Aber er ist immer noch da.
IM JAR 1587 UM OSTERN TRUG SICH ZU , daß deß Müllers Sau allhier beym Pranger am Tiefen See ein Wunderferkel gebar, denn es war zwar dasselbe aller Gestalt nach wie ein Ferkel, hatte aber einen rechten Menschenkopff.
Das Volck kam zum See, das Curiosum zu beschauen und zu berathschlagen, was wol zu tun sey. Das Ferkel lag dort für alle gut zu sehen, sogar die Sau hatte sich auff die Seite der Menschen begeben, als glaubte sie selbst nicht recht, was ihr widerfahren war.
Die Leute examinirten das Ferkel gründlich. Mancher kniete sich gar hin und inspizirte es ernstlich genau auff Augenhöh. Deß einen und deß andren Verhalten war so, daß es scheinen mochte, ihm komme das Gesichtchen von dem kleinen Untiere bekannt vor. Es war vielleicht darin, wie das Ferkel die Mundwinkel nach oben zog, als lächle es frech, oder darin, wo es ein Muttermal trug, oder darin, mit welcher Stimme es zur Mutter hungrig quiekte, daß die Männer lauther und wütiger wurden. Es brauchte sodann bloß deß Hufschmidt Semmel unfürsichtigen Ausrufs: Liebe Leute, erkleren kann ich’s nicht, so frag ich’s grad heraus: Sieht das Ferkel vielleicht aus wie –, damit schon die erste Faust flog, dem Semmel auffs Maul, und wurde geschubset und grober Schimpf gefluchet und landete der alte Wennecke kopffüber im See, und in alldem wurde das Ferkel fast vergessen.
Da traf Müller Mertens in Begleitung deß Stadtherrn Poppo von Blankenburg ein. Die Ankunft deß Ritters und deß Besitzers jener Sau brachte wiederumb die Männer zur Raison, also daß sie voneinander ablassen. Sie zupften ihre Westen grade und nahmen ihre Mützen ab, wo die nicht schon auff der Erde lagen. Es war arg still, nur mehr das Ferkel rüchlete, man hette glauben mögen, ein alter Mann stürbe dort am Lungenfieber.
Die Männer rückten enger zusammen. Es mochte scheinen, daß sie suchten das Ferkel zu verbergen. Der Stadtherr theilte mit den Handen nach links und rechts die Luft – schon gaben die Männer einen Spalt in ihrer Mitte frei.
Was folgen sollte, wurde nicht vergeßen, gleichwol die Anwesenden später vieles abgestritten, als läge schon im Erinnern ein Verbrechen vor oder eine Sünde gar. Der Edelmann und der Müller sahen dem Ferkel engstlich ins Auge und das Ferkel frohgemüth ihnen. Die beiden reusperten sich so, wie sich der reuspert, dem etwas gantz und gar nicht genehm ist, und wer bey dem Ferkel sich befandt, meinte zu glauben, daß auch das Ferkel sich reusperte.
Der Müller und der Graf wurden im Gesicht weiß und sagten kein Wort.
Da trat ein junger Mann vor, und es war dieß der Schneidergesell Anton Kobler aus Jakobshagen, und dieser sprach: Herrschaften, Leute! Gott sey mein Zeuge: Die Sau dort, die kenn ich nicht!
Die Männer sahen den Kobler
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