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Vor dem Frost

Vor dem Frost

Titel: Vor dem Frost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Richtig?«
    »Ja.«
    »Hast du einen Grund, nicht zu glauben, was sie sagt?«
    »Eigentlich nicht.«
    »Was meinst du damit? ›Eigentlich‹? Ja oder nein?«
    »Nein.«
    Er ging zurück zum Wasserhahn und ließ mehr Wasser in den Topf laufen. »Dann hatte ich also recht. Es ist nichts passiert.«
    »Birgitta Medbergs Name stand in ihrem Tagebuch. Ebenso der Name dieses Herrn Vigsten. Ich weiß nicht, wieviel Stefan Lindman dir schon erzählt hat, als er dich gestern anrief, um zu klatschen.«
    »Er hat nicht geklatscht. Außerdem war er sehr ausführlich. Er ist ein neuer Martinsson, was das Anfertigen klarer und deutlicher Berichte angeht. Spätestens morgen werde ich Anna ins Präsidium bitten, um mich mit ihr zu unterhalten. Das kannst du ihr sagen. Aber keine Fragen nach Birgitta Medberg, keine private Ermittlung, ist das klar?« »Jetzt hörst du dich an wie ein hochnäsiger Polizist«, erwiderte Linda.
    Er sah sie erstaunt an. »Ich bin Polizist«, sagte er. »Wußtest du das nicht? Man hat mir in meinem Leben schon manches vorgeworfen, aber daß ich hochnäsig wäre, noch nie.«
    Sie frühstückten unter Schweigen und lasen jeder einen Teil von
Ystads Allehanda.
Es wurde halb acht.
    Er stand auf, um zu gehen. Aber dann setzte er sich wieder. »Du hast dieser Tage etwas gesagt«, begann er verlegen.
    Linda wußte sofort, was er meinte. Es belustigte sie, zu sehen, wenn er verlegen wurde. »Du meinst, als ich gesagt habe, ich wüßte keinen, der dringender jemanden zum Vögeln brauchte als du?«
    »Was hast du damit eigentlich gemeint?«
    »Was glaubst du denn? Kann ich damit denn so viel Verschiedenes gemeint haben?«
    »Ich möchte, daß du mein Sexualleben in Frieden läßt.«
    »Du hast doch gar kein Sexualleben.«
    »Ich möchte auf jeden Fall, daß du es in Frieden läßt.«
    »Mir ist egal, wie du es anstellst, ein nicht existentes in Frieden gelassenes Sexualleben zu haben. Aber ich glaube nicht, daß es gut für dich ist, die ganze Zeit allein zu sein. Mit jeder Woche, in der du niemanden zum Vögeln hast, nimmst du weiter zu. Das ganze Fett, das du mit dir herumschleppst, ist wie ein großes Schild, das in grellen Lettern verkündet, daß hier ein Mann mit einem dringenden erotischen Bedürfnis kommt.«
    »Du brauchst nicht zu schreien.«
    »Wer könnte es denn hören?«
    Er stand auf, hastig, als habe er beschlossen zu fliehen. »Vergiß es«, sagte er. »Ich geh jetzt.«
    Sie folgte ihm mit dem Blick, als er seine Tasse ausspülte. Setze ich ihm zu hart zu? dachte sie. Aber wenn ich es nicht tue, wer dann?
    Sie folgte ihm in den Flur. »Wie sagt man«, fragte sie. »Wegen
dem Frost
oder wegen
des Frostes?«
    »Ist das nicht das gleiche?«
    »Ich glaube, daß das eine falsch und das andere richtig ist.«
    »Denk darüber nach«, sagte er. »Berichte mir vom Ergebnis, wenn ich heute abend nach Hause komme.«
    Die Tür schlug mit einem Knall zu.
    Linda dachte an Gertrud, die Frau, mit der ihr Großvater in den letzten Jahren seines Lebens verheiratet war. Sie wohnte jetzt mit ihrer Schwester Elvira zusammen, die Schwedischlehrerin gewesen war. Es war ein guter Anlaß, Gertrud einmal anzurufen, dachte Linda. Dann und wann sprachen sie miteinander, meistens war Linda diejenige, die anrief. Sie schlug die Nummer in ihrem Adreßbuch nach. Die Schwestern waren Frühaufsteherinnen. Sie pflegten schon um fünf zu frühstücken. Gertrud kam ans Telefon. Wie immer klang sie heiter. Linda hatte sich oft gefragt, wie sie es geschafft hatte, mit einem so garstigen und in sich gekehrten Menschen wie ihrem Großvater zusammenzuleben.
    »Bist du schon Polizistin?« fragte Gertrud.
    »Am Montag.«
    »Ich nehme an, du bist vorsichtig.«
    »Ich bin immer vorsichtig.«
    »Ich hoffe, du hast dir die Haare geschnitten.«
    »Warum das denn?«
    »Damit sie dich nicht an den Haaren packen können.«
    »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.«
    »Mit irgendwas muß man sich auf seine alten Tage doch beschäftigen. Wenn man nichts anderes mehr hat, kann man seine Tage immer noch damit verbringen, daß man sich Sorgen macht. Elvira und ich machen uns jeden Tag kleine Sorgenmomente zum Geschenk. Das hält uns fit.«
    »Eigentlich wollte ich auch mit Elvira sprechen. Ich habe eine Frage.«
    »Wie geht es deinem Vater?«
    »Wie immer.«
    »Und was ist mit der Frau in Lettland?«
    »Baiba? Das ist schon lange vorbei. Wußtest du das nicht?«
    »Ich spreche höchstens einmal im Jahr mit Kurt. Und nie über etwas, was sein

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