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Vor dem Frost

Vor dem Frost

Titel: Vor dem Frost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Privatleben betrifft.«
    »Er hat kein Privatleben. Das ist sein Fehler.«
    »Ich rufe Elvira.«
    Sie kam ans Telefon. Linda fand, daß die Stimmen der Schwestern sich zum Verwechseln ähnlich waren.
    »Was ist richtig?« fragte Linda. »Wegen
dem
Frost oder wegen
des
Frostes?«
    »Wegen
des
Frostes«, sagte Elvira prompt. »Warum fragst du?«
    »Ich bin heute morgen wach geworden und dachte, daß bald der Herbst kommt. Und es schüttelte mich, wegen des Frostes.«
    »Ja, man muß wegen des Frostes sagen.«
    »Dann weiß ich das. Danke für die Hilfe.«
    »Heute wollen wir Johannisbeeren pflücken«, sagte Elvira. »Du hast recht damit, daß bald der Herbst kommt, und der Frost. Da tun ein paar Johannisbeeren gut.«
    Linda räumte den Frühstückstisch ab. Sie hatte geduscht und sich angezogen, als das Telefon klingelte. Es war Elvira.
    »Ich hatte unrecht. Es kann im heutigen Sprachgebrauch sowohl wegen
dem
Frost als auch wegen
des
Frostes heißen. Ich habe mit einem guten Freund gesprochen, der Sprachprofessor ist und Kontakte zur Schwedischen Akademie hat. Es zeigt sich, daß die Umgangssprache sich immer mehr durchsetzt. Leider ist es heute nicht mehr falsch, wegen dem Frost zu sagen. Die Sprache wird aufgeweicht, verliert ihre Prägnanz. Ich mag es nicht, wenn Wörter wie stumpfe Messer werden. Das wollte ich dir nur sagen. Und jetzt geht es an die Johannisbeeren.«
    »Danke nochmals für die Hilfe.«
    Um neun rief Linda bei Anna an.
    »Ich wollte nur sichergehen, daß ich nicht geträumt habe.«
    »Ich sehe jetzt ein, daß ich euch Sorgen bereitet habe. Aber mit Zebra habe ich gesprochen. Sie weiß, daß ich wieder da bin.«
    »Und Henrietta?«
    »Die rufe ich an, wenn ich Lust habe. Kommst du um zwölf?«
    »Ich bin immer pünktlich.«
    Als sie aufgelegt hatten, blieb Linda mit der Hand auf dem Hörer sitzen.
    Irgendwo saß dieser kleine Splitter, eine vage Unruhe. Das ist eine Mitteilung, dachte sie. Ein Splitter im Körper will etwas erzählen. Es ist wie ein Traum. Kuriere kommen mit geheimen Meldungen geritten, die stets von einem selbst handeln, obwohl man vielleicht von jemand anderem träumt. Jetzt habe ich diesen Splitter. Anna ist zurückgekommen. Sie ist unversehrt, alles wirkt normal. Aber ich frage mich weiterhin nach diesen zwei Namen im Tagebuch. Birgitta Medberg und Vigsten. Daneben gibt es eine dritte Person, einen Norweger mit Namen Torgeir Langaas. Es sind noch Fragen offen. Bevor ich die Antworten nicht weiß, wird der Splitter nicht verschwinden.
    Sie trat auf den Balkon und setzte sich. Nach dem nächtlichen Gewitter war die Luft frisch. In der Zeitung hatte sie gelesen, daß ein Wolkenbruch in Rydsgärd die Kanalisation zum Überlaufen gebracht hatte. Auf dem Fußboden lag ein toter Schmetterling. Danach muß ich auch fragen, dachte Linda. Nach dem Bild mit dem blauen Schmetterling.
    Sie legte die Beine auf das Balkongeländer. Noch fünf Tage, dachte sie. Dann ist dieser komische Wartezustand endlich vorbei.
    Woher ihr der Gedanke kam, konnte sie nicht erklären. Sie ging hinein und rief die Auskunft an. Das Hotel, nach dessen Nummer sie fragte, gehörte inzwischen zum Scandic-Konzern. Sie wurde verbunden. Eine fröhliche Männerstimme meldete sich. Sie ahnte vage einen dänischen Akzent.
    »Ich würde gern mit einem ihrer Gäste sprechen, mit Anna Westin.«
    »Einen Augenblick, bitte.«
    Einmal lügen ist leicht, dachte sie. Der zweite Schritt wird schwieriger.
    Die heitere Stimme kam zurück. »Leider haben wir keinen Gast unter diesem Namen.«
    »Dann ist sie vielleicht abgereist. Ich weiß nur, daß sie kürzlich bei Ihnen gewohnt hat.«
    »Anna Westin?«
    »Ja.«
    »Einen Augenblick, bitte.«
    Er war schon kurz darauf wieder am Apparat. »Wir haben in den letzten zwei Wochen keinen Gast unter dem Namen Westin gehabt. Sind Sie sicher, daß der Name richtig ist?«
    »Es ist meine Freundin. Sie schreibt sich mit W.«
    »Wir hatten Wagner, Werner, Wiktor mit W, Williamsson, Wallander…«
    Linda faßte den Hörer fester.
    »Entschuldigung. Der letzte Name?«
    »Williamsson?«
    »Nein, Wallander.«
    Die fröhliche Stimme klang immer weniger wohlwollend. »Ich dachte, Sie wollten mit einem Gast namens Westin sprechen?«
    »Ihr Mann heißt Wallander. Vielleicht hatten sie das Zimmer unter seinem Namen gebucht.«
    »Einen Moment, ich sehe nach.«
    Das ist unmöglich, dachte sie. So etwas gibt es nicht.
    »Das stimmt leider auch nicht. Unter dem Namen Wallander haben wir nur eine

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