Vor Schmetterlingen wird gewarnt (German Edition)
weitgehend bekannt war.
Immerhin bildete diese Geschichte den Hintergrund für den Dokumentarfilm, den die ganzen Typen da unten drehten.
So gern er den Alten wieder lebendig gemacht hätte, nur um ihn erneut umbringen zu können – eines musste er Mike lassen. Der Mistkerl hatte das Beste aus der Laune des Schicksals gemacht, die ihn damals im Jahr 85 aus heiterem Himmel begünstigt hatte.
Zuerst war der Mann während der Renovierungsarbeiten, die er in diesem Haus leitete, über ein Geheimversteck gestolpert. Obwohl er später behauptete, er habe überlegt, das „Richtige“ zu tun, wie fantasielose Leute es gern nannten, und diese Entdeckung der Wolcott-Tussi zu melden, änderte sich die Situation dramatisch, als Agnes Wolcott an diesem Abend ihr Diamantcollier, ihr Armband sowie Ohrringe und Haarklammern auf ihrem Nachtschränkchen liegen ließ, statt alles im Safe einzuschließen wie sonst, wenn sie von einem Event nach Hause kam.
Es war offensichtlich, dass sie beraubt werden wollte. Mike tat ihr den Gefallen, indem er die Juwelen in dem frisch entdeckten Geheimfach versteckte.
Dann aber – und dies war der Teil, den Tony ganz besonders mochte – suchte der alte Gauner sie auf und erzählte ihr, er habe den Schmuck gesehen, als er ein paar Messungen vorgenommen hätte. Er riet ihr dringend, den Schmuck wegzuschließen, bevor etwas passiere. In dem Aufruhr nach der Entdeckung des Diebstahls war er der Einzige, der nicht verdächtigt wurde.
Tony gluckste leise, er konnte nicht anders. Das war doch wirklich zu komisch. Ausgerechnet Mike galt plötzlich als aufrichtiger Kerl.
Zu dumm nur, dass das Glück seinen Onkel verließ, als er den Schmuck aus seinem Versteck holen wollte. Eigentlich hätte es ein Kinderspiel sein müssen. Auch war der alte Knabe nicht ungeduldig gewesen, denn er hatte fast sechs Monate gewartet, ehe er sich an das Versteck heranwagte. Erst als Agnes Wolcott und ihr Gefährte, Henry Soundso, eine Reise nach Europa unternahmen, kehrte Mike ins Haus zurück.
Niemand hatte Tony je zufriedenstellend erklären können, weshalb der gute alte Henry nun doch nicht mit Agnes Wolcott in Europa weilte. Er wusste nur, dass sein Onkel in Panik geriet, als er plötzlich dem Mann gegenüberstand, den er am anderen Ende der Welt wähnte. Also erschoss er ihn. Diese Reflexhandlung hätte auch sicher ein Vorteil für Onkel Mike sein können – wenn er Henry denn wirklich getötet hätte. Nur war ihm das offenbar nicht gelungen, und dieser Fehler brachte ihn ins Staatsgefängnis Walla Walla. Der blöde Butler blieb nämlich noch lange genug am Leben, um Mike zu identifizieren.
Zur ewigen Entrüstung von Tonys Familie schwieg Onkel Mike während des Vierteljahrhunderts, das er im Bau verbrachte, eisern über das Versteck. Eines Tages beorderte der Alte Tony aus heiterem Himmel ins Gefängnis. Dort eröffnete er seinem Neffen, er habe nicht mehr lange zu leben, und erklärte ihm genau, wo er die bis zu diesem Tag unentdeckten Wolcott-Diamanten finden konnte: hinter dem mit kunstvollen Schnitzereien verzierten Teil der nach Norden liegenden Wand in dem Zimmer, das sich neben dem Boudoir der alten Dame befand.
Viel nützte ihm diese Information jetzt nicht. Tony sah sich wütend um. Was Mike vergessen hatte zu erwähnen, ehe er mitten in der Unterhaltung abkratzte, die ohnehin ständig durch seinen röchelnden Raucherhusten unterbrochen wurde, war, dass die gesamte verdammte Wand mit kunstvollen Schnitzereien verziert war. Zumindest die Hälfte, die getäfelt war.
Endlich gelang es ihm, sich aus der Schreckstarre zu lösen. Er durchquerte den Raum und betrachtete die Schnitzereien aus der Nähe.
Seufzend musste er einsehen, dass er eine ganze Weile hier sein würde.
Was soll’s, er war von Berufs wegen zuversichtlich. Außerdem kannte er sich mit Betrügereien aus, die eine lange Vorbereitungszeit brauchten – auch wenn seine Masche normalerweise darin bestand, Frauen um ihr Geld zu prellen. Aber ein Ding war ein Ding. Er hatte es jedenfalls nicht so weit gebracht, indem er gleich beim ersten kleinen Hindernis das Handtuch warf. Schon gar nicht, wenn die zu erwartende Beute sämtliche seiner früheren Raubzüge wie Peanuts aussehen ließ. Er war der einzige noch lebende Mensch, der wusste, dass sich die Diamanten nach wie vor hier in diesem verdammten Haus befanden.
Und das war einfach zu verlockend, eine Chance, die unbedingt genutzt werden musste.
Also ging er in der untersten Ecke in die
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