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Vorhang auf für eine Leiche

Vorhang auf für eine Leiche

Titel: Vorhang auf für eine Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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Feely.
    Schon kam sie ins Badezimmer gestürmt, und es gab wirklich keinen besseren Ausdruck dafür als stürmen.
    »Du weißt so gut wie ich, du dreckiges Ferkel, dass niemand hier rein …«
    Die bis auf ein paar Schaumblasen splitternackte Phyllis Wyvern starrte Feely durch die strudelnden Dampfschwaden erschrocken an.
    Für einen Augenblick stand die Zeit still.
    Mir kam der verrückte Gedanke, ich sei plötzlich in Botticellis Gemälde Die Geburt der Venus gelandet, was ich aber gleich wieder verwarf: Obwohl Feelys Miene durchaus dem »Ich pruste und puste«-Gesichtsausdruck des Windgottes Zephyros entsprach, war Phyllis Wyvern keine Venus – nicht einmal annähernd.
    Feelys Wangen nahmen die Farbe von Wasser an, in dem Rote Bete gekocht wird.
    »Ich … ich …«, stotterte sie. »Ich muss mich entschuldigen.«
    Ich hätte jubeln können! Trotz der absurden Situation schoss mir durch den Kopf, dass Feely diese Worte wahrscheinlich zum ersten Mal in ihrem ganzen Leben ausgesprochen hatte.
    Dann schob sie sich rückwärts wieder aus dem Bad, wie ein Höfling, der den Audienzsaal der Königin verlässt.
    »Gib mir mein Handtuch«, befahl die nackte Königin und entstieg der Wanne.
    »Ach, da sind Sie«, sagte Bun Keats hinter mir. »Die Tür stand offen und ich …«
    Als sie mich erblickte, klappte sie den Mund sofort zu.
    »Soso«, giftete Phyllis Wyvern. »Die saumselige Bun geruht, uns mit ihrer Anwesenheit zu beehren.«
    »Tut mir leid, Miss Wyvern. Ich habe Ihre Sachen ausgepackt.«
    »›Tut mir leid, Miss Wyvern. Ich habe Ihre Sachen ausgepackt. ‹ Himmel noch mal!«
    Sie äffte ihre Assistentin ebenso hämisch und gehässig nach, wie Daffy mich immer nachäffte, nur dass die Imitation in diesem Fall einfach brillant war. Professionell.
    Mir wurde sofort klar, dass eine große Schauspielerin nie großartiger sein kann als in der Rolle ihres eigenen Lebens.
    Bun war kurz vorm Heulen, aber sie bückte sich und hob die nassen Handtücher auf.
    »Ich glaube, diese Räume dürfen wir nicht benutzen, Miss Wyvern. Ich hatte schon das Bad im Nordflügel für Sie vorbereitet.«
    »Mach hier sauber«, erwiderte Phyllis Wyvern, ohne darauf einzugehen. »Nimm die Handtücher. Es gibt nichts Gefährlicheres als einen nassen Boden. Nicht, dass noch jemand ausrutscht und sich den Hals bricht.«
    Ich nutzte die Gelegenheit, um mich stillschweigend zu verdrücken.
     
    Das Wetter wurde immer garstiger. Vom Salonfenster aus sah ich zu, wie der Schnee, von einem erbarmungslosen Nord wind getrieben, die Umrisse der Lieferwagen und Lkws verwischte. Am späten Nachmittag ließ der Wind ein wenig nach, und der Schnee fiel senkrecht durch die anbrechende Dämmerung.
    Ich drehte mich zu Daffy um, die in ihrem Lehnstuhl versunken war und die Beine über die Armlehnen baumeln ließ. Sie las schon wieder Bleak House.
    »Ich liebe Bücher, in denen es immerzu regnet«, hatte sie mir einmal anvertraut. »Das ist wie im richtigen Leben.« Da ich nicht sicher war, ob es sich dabei um eine ihrer ausgeklügelten Beleidigungen handelte, hatte ich mich nicht dazu geäußert.
    »Draußen schneit es wie Sau«, sagte ich.
    »Es schneit immer draußen. Nie drinnen«, erwiderte sie, ohne von ihrem Buch aufzublicken. »Und sag nicht ›wie Sau‹. Das ist ordinär.«
    »Was meinst du, ob Vater es noch von London bis nach Hause schafft?«
    Daffy zuckte die Achseln. »Wenn nicht, kann er sich ja bei Tante Felicity einquartieren. Normalerweise knöpft sie ihm nicht mehr als ein paar Pfund für Übernachtung und Frühstück ab.«
    Dann drehte sie sich im Stuhl zur Seite, womit sie ausdrückte, dass die Unterhaltung beendet war.
    »Ich bin heute Morgen Phyllis Wyvern begegnet«, sagte ich.
    Daffy blieb stumm, aber ich sah, dass sich ihr Blick nicht mehr über die Seiten bewegte. Zumindest hörte sie mir zu.
    »Ich habe mit ihr geplaudert, als sie in der Badewanne saß«, fuhr ich fort, ohne zu erwähnen, dass sich die Szene in Harriets Boudoir abgespielt hatte. Man konnte mir so einiges vorwerfen, aber eine Petze war ich garantiert nicht.
    Keine Reaktion.
    »Findest du das denn gar nicht spannend, dass die Filmleute hier sind, Daffy?«
    »Wir haben noch alle Zeit der Welt, sie kennenzulernen. Sie veranstalten immer ein Riesentamtam, bevor sie endlich mit den Dreharbeiten anfangen. ›Die Bauerndeppen vollquatschen‹ nennen sie das. Irgendwer führt uns rum, zeigt uns die Ausrüstung und erzählt uns, wie toll das alles ist. Dann werden wir den

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