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Vorhang auf für eine Leiche

Vorhang auf für eine Leiche

Titel: Vorhang auf für eine Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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eingestehen, dass ich von diesen beiden Wesen die tote Phyllis Wyvern spannender fand.
    Um ganz ehrlich zu sein: wesentlich spannender.
    Nicht lange nach Niallas letztem Besuch auf Buckshaw hatte ich angefangen, mir wegen meiner Begeisterung für den Tod Gedanken zu machen.
    Nach etlichen schlaflosen Nächten und einem Wirrwarr aus ziemlich verrückten Träumen, in denen es um Grüfte und umherspazierende Leichname gegangen war, hatte ich beschlossen, mit Dogger darüber zu reden. Er hatte wie immer schweigend zugehört, ab und zu genickt und dabei Vaters Schuhe geputzt.
    »Ist es denn falsch«, hatte ich abschließend gefragt, »wenn man sich gern mit den Toten beschäftigt?«
    Dogger hatte den Zipfel des Putztuchs in die Dose mit der schwarzen Schuhwichse getaucht.
    »Ein gewisser Aristoteles hat mal gesagt, dass wir Vergnügen daran finden, uns mit Toten und dergleichen zu beschäftigen, die uns sonst nur Kummer und Trauer bescheren würden, weil wir aus dieser Beschäftigung die Freude an neuem Wissen ziehen, die den Schmerz verdrängt.«
    Ich schlang die Arme um mich. »Hat er das wirklich gesagt?« Dieser Aristoteles war ein Mann nach meinem Geschmack. Ich nahm mir vor, irgendwann mal nachzuschlagen, um mehr über ihn zu erfahren.
    »Soweit ich mich entsinne, ja«, antwortete Dogger, und seine Miene hatte sich flüchtig verdüstert.
    An dieses Gespräch musste ich denken, als nun die Tür zum Blauen Zimmer aufging und der riesenhafte Detective Sergeant Woolmer seine sperrige Fotoausrüstung aus Phyllis Wyverns Schlafzimmer herausmanövrierte.
    Er schien nicht wenig erstaunt zu sein, mich zu sehen.
    »Haben Sie Fingerabdrücke genommen und das alles?«, erkundigte ich mich freundlich. »Tatortfotos gemacht?«
    »Sieh mal einer an!«, sagte er. »Wenn das nicht Miss de Luce ist. Stets dem Täter auf der Spur, was?«
    »Sie kennen mich doch, Sergeant«, erwiderte ich mit einem, wie ich hoffte, geheimnisvollen Lächeln. Ich stand auf, ging auf ihn zu und hoffte an ihm vorbei wenigstens einen kurzen Blick auf die verblichene Miss Wyvern zu erhaschen.
    Er machte die Tür jedoch rasch zu, drehte den Schlüssel um und ließ ihn in seine Tasche gleiten.
    »Äh-äh-äh«, machte er und zerstörte damit meine schönsten Absichten. »Du solltest nicht einmal an Mrs Mullets Schlüsselring denken, kleines Fräulein! Ich weiß so gut wie du, dass alte Häuser wie eures haufenweise Ersatzschlüssel haben. Wenn du auch nur einen einzigen Fingerabdruck auf dieser Tür hinterlässt, muss ich dich leider anzeigen.«
    Aus dem Mund eines Fingerabdruckexperten war das eine ernst zu nehmende Drohung.
    »Was haben Sie bei Ihrer Kamera eingestellt?«, fragte ich, um ihn abzulenken. »Ein Hundertfünfundzwanzigstel bei Blende elf?«
    Der Sergeant kratzte sich den Kopf – beinahe genüsslich, wie mir schien.
    »Das bringt nichts, Miss«, sagte er. »Wir sind bereits ausführlich vor dir gewarnt worden.«
    Dann ging er einfach davon.
    Gewarnt? Vor mir? Was zum Henker meinte er damit?
    Auf diese Frage gab es nur eine Antwort. Inspektor Hewitt, dieser Verräter, hatte seine Leute auf der Fahrt nach Buckshaw gegen mich aufgehetzt. Er hatte sie vor meiner Genialität gewarnt, die bei früheren Gelegenheiten offenbar an ihrem Selbstwert gekratzt hatte wie ein Fingernagel auf einer Schiefertafel.
    Glaubte er wirklich, er könnte mich austricksen?
    Das werden wir ja sehen, mein lieber Inspektor Hewitt, dachte ich. Das werden wir ja sehen!
    Während meines Gesprächs mit Sergeant Woolmer hatte ich aus dem angrenzenden Zimmer leise Stimmen gehört; allem Anschein nach zwei Frauen, die sich unterhielten.
    Ich klopfte nachdrücklich an und wartete.
    Die Unterhaltung verstummte, und kurz darauf wurde die Tür einen kleinen Spalt geöffnet.
    »Entschuldigen Sie die Störung«, sagte ich zu dem blutunterlaufenen Auge, das ich sehen konnte, »aber Mr Lampman möchte Sie sprechen.«
    Die Tür schwang nach innen auf, und ich sah den Rest des Gesichts. Die Frau war eine der Kleindarstellerinnen des Films.
    »Mich?«, fragte sie mit verblüffend sonorer Stimme. »Will er mich sprechen oder uns beide?«
    »Wir sollen zu Mr Lampman, Flo«, rief sie über die Schulter.
    Flo wischte sich den Mund und stellte die Schüssel weg, aus der sie gegessen hatte.
    »Sie beide«, sagte ich streng. »Ich glaube, er ist draußen in einem der Lastwagen«, fügte ich hinzu. »Ziehen Sie sich lieber etwas über.«
    Ich wartete geduldig an den Türrahmen gelehnt, bis die

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