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Vorhang auf für eine Leiche

Vorhang auf für eine Leiche

Titel: Vorhang auf für eine Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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aufbewahren.
    Aber mal angenommen, dass Phyllida Phyllis war oder umgekehrt, was hatte der Nachname zu bedeuten? War sie Val Lampmans Frau? Seine Schwester? Seine Schwägerin? Seine Cousine?
    »Cousine« und »Frau« – beides möglich, vielleicht sogar in einer Person. Harriet beispielsweise war schon eine de Luce gewesen, bevor sie meinen Vater geheiratet hatte. Darum war es ihr erspart geblieben, ihren Mädchennamen zu ändern.
    Falls Phyllis Wyvern mich hinsichtlich ihres Alters nicht angelogen hatte – und warum hätte sie das tun sollen? –, musste sie … mal überlegen … 1929 war einundzwanzig Jahre her  … Sie musste achtunddreißig gewesen sein, als dieser Führerschein ausgestellt wurde.
    Wie alt mochte Val Lampman sein? Schwer zu sagen. Er gehörte zu jenen gnomenhaften Geschöpfen mit straffer, glänzender Haut und hellen Haaren, die mit einem Seidenschal um den Hals, der die Falten verbarg, überall und jederzeit als alterslos durchgingen.
    Was hatte Daffy erzählt? Dass Phyllis Wyvern seit – irgendwas, für das ich angeblich noch zu jung war, um es zu verstehen – mit keinem anderen Regisseur mehr zusammengearbeitet hatte.
    Worum es bei diesem »Irgendwas« wohl ging? Mir wurde von Sekunde zu Sekunde klarer, dass ich die Auster, als die sich meine Schwester hin und wieder aufführte, aufbrechen musste – im Guten oder im Bösen.
    Als ich mich Phyllis Wyverns Fingernägeln ein zweites Mal zuwenden wollte, drehte sich der Türknauf!
    Mir wäre beinahe etwas Peinliches passiert!
    Zum Glück war die Tür abgeschlossen.
    Ich stopfte den Führerschein wieder in die Handtasche und zog den Reißverschluss zu. Ich hob das Laken vom Fußboden auf und drapierte es wieder über die Leiche, wobei ich jedes Rascheln vermied.
    Als ich fertig war, zwängte ich mich wieder hinter den Wandbehang, der prompt abermals eine erstickende Staubwolke von sich gab.
    Ich hielt mir die Nase gerade noch rechtzeitig zu, um einen gewaltigen Nieser in ein leises, aber ziemlich unfeines Geräusch zu verwandeln.
    »Pie-pfup!«
    Gesundheit!
    Bei der mit Farbe zugekleisterten Tür musste ich aufpassen. Ich konnte sie nicht so fest zumachen, wie ich es gern gehabt hätte, sondern musste mich damit begnügen, mehrmals vorsichtig daran zu ziehen. Die Wandbehänge auf beiden Seiten würden den Laut nicht nur ersticken, sondern hoffentlich auch dafür sorgen, dass die Tür jedem nicht allzu gewissenhaften Betrachter auch weiterhin verborgen blieb.
    Zum Glück lagen die Farbflocken auf meiner Seite der Tür, und ich musste mir unweigerlich selbst dazu gratulieren, dass ich aus dem Blauen Zimmer wieder herausgekommen war, ohne irgendwelche Spuren zu hinterlassen.
    Ich nahm Flos – oder Maeves – Haarbürste von der Kommode (nachdem ich den Löffel wieder in die Obstschale gelegt hatte), knickte die Kinowoche, die auf dem Bett lag, zu einem improvisierten Kehrblech, fegte die Farbflocken auf und ließ sie in die Tasche meiner Strickjacke gleiten.
    Ich würde mich ihrer nachher entledigen. Auf keinen Fall wollte ich verwirrende Indizien hinterlassen, die die Polizei auf eine falsche Spur hätten bringen können.
    Ich zog die Tür einen Spalt auf und spähte in den Flur. Es war niemand zu sehen.
    Doch kaum hatte ich das Zimmer verlassen, hörte ich hinter mir eine vertraute Stimme sagen: »Stehen bleiben.«
    Ich wäre Inspektor Hewitt beinahe auf den Fuß getreten.
    »Ach, hallo, Herr Inspektor«, sagte ich. »Ich bin auf der Suche nach … äh … Flo.«
    »Was du nicht sagst. Wirklich?«, fragte er. »Weshalb denn?«
    Der Teufel sollte ihn holen! Seine Fragen trafen immer genau ins Schwarze.
    »Na ja … das stimmt nicht ganz«, gab ich zu. »Eigentlich habe ich in ihrem Zimmer herumgeschnüffelt.«
    Meinen Trick mit der Behauptung, Val Lampman hätte die beiden zu sich bestellt, musste ich ja nicht eigens erwähnen.
    »Warum?«, hakte der Inspektor nach.
    Manchmal bleibt einem nichts anderes übrig, als die Wahrheit zu sagen.
    »Äh … na ja«, antwortete ich und suchte verzweifelt nach Worten, »das ist so ein Hobby von mir. Manchmal schnüffle ich auch ganz doll in Daffys und Feelys Zimmern rum.«
    Sein Blick ging mir durch und durch.
    »Ich dachte, die Zimmer von Filmleuten sind bestimmt noch viel spannender …«
    »Auch das von Miss Wyvern?«
    In meinem gekränkten Blick war nichts als Unschuld zu lesen.
    »Ich hab dich niesen hören, Flavia.«
    Mist!
    »Leer bitte deine Taschen aus«, befahl der Inspektor, und

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