Vorhofflimmern
Desiderio,
was meine Nerven gleich noch mehr belastete.
Er stand vor unserem Hans und wollte sich gerade einen Kaffee
machen, als ich in die Küche kam. Ich hielt noch im Türrahmen inne und blickte
fassungslos auf die gelbe Tasse in seiner Hand.
„Das kannst du gleich mal vergessen“, sagte ich, ohne mich
lange mit Begrüßungsfloskeln auszuhalten. „Das ist meine Tasse.“
Mein giftiger Ton schien Desiderio einen Moment lang zu
verwirren. Er sah erst mich an, dann die Tasse und dann wieder mich. „Dieter?“
Ich nickte nur.
„Dein zweiter Vorname?“, fragte er.
„Ja.“ Ich trat ein und streckte auffordernd meine Hand aus.
„Und jetzt her damit.“
„Hm...“
Das schelmische Blitzen in seinen Augen ließ mich nicht Gutes
erahnen. Tatsächlich hob er langsam seine Hand, um die Maschine zu starten.
Ich sog hörbar die Luft ein und machte einen schnellen
Schritt auf ihn zu. „Habe ich mich gerade undeutlich ausgedrückt?“, wollte ich
wissen und stemmte drohend meine Arme in die Hüften.
Sein Finger schwebte unheilvoll über der Starttaste, während
wir uns anstarrten und einen stummen Machtkampf ausfochten. Dass sich dabei
seine Lippen belustigt kräuselten, regte mich nur noch mehr auf.
„Schluss jetzt damit!“, stieß ich schließlich hervor. „Du
bist hier der Neuling und darum hast du dich unserer Küchenhierarchie zu
beugen, bei welcher ich eindeutig über dir stehe! Also geh gefälligst beiseite,
oder gib mir die Tasse, bevor noch jemand verletzt wird!“
„Nun, das wollen wir ja wirklich nicht riskieren. Aber warum
bittest du mich nicht einfach freundlich darum?“
Was? Um mein Eigentum bitten und dann auch noch freundlich?
Geht´s noch?
Ich legte so viel Ironie in meine Stimme, wie ich auftreiben
konnte und presste heraus: „Gibst du mir meine Tasse, bitteschön ?“
Sofort ließ er seine Hand sinken. „Natürlich!“
Was für ein Arsch...
Er drehte sich langsam zu mir und bedachte mich mit diesem
verfluchten schiefen Lächeln.
Erst da wurde mir bewusst, wie nahe ich ihm war. Ich musste
den Kopf in den Nacken legen, um ihm in die Augen zu blicken und fühlte mich
dabei augenblicklich unterlegen. Ein betörender Duft, für den es keinerlei
Worte gab, ging von ihm aus, stieg mir in die Nase und vernebelte langsam, aber
sicher mein Gehirn. Ich spürte, wie sich mein eigener Herzschlag unwillkürlich
verdoppelte und obwohl ich mich darüber ungemein ärgerte, konnte ich doch
nichts dagegen tun.
Ob seine Haare sich genauso weich anfühlten, wie sie
aussahen?
Lena!
Jesses, ich musste mich schnellstens wieder unter Kontrolle
bekommen und dem Burschen zeigen, dass ich stärker war, als sein alles
verschlingender Charme!
Obwohl ich dazu meinen ganzen Mut zusammennehmen musste,
beugte ich mich ein Stück vor und drückte auf den Startknopf, ohne meine Augen
von den seinen zu lösen.
Während Hans mahlte und werkelte, war ich kurz davor meinen
Verstand zu verlieren.
Immer noch mit Augenkontakt, nahm ich schließlich meine
dampfende Dieter-Tasse und pustete hinein.
Desiderio regte sich die ganze Zeit über genauso wenig wie
ich und durchbohrte mich geradezu mit einem unergründlichen Blick. Nach einer
gefühlten Ewigkeit brach er schließlich den Bann.
„Verteidigst du alles was dir gehört mit einem solchen
Einsatz?“, fragte er.
„Wenn´s sein muss“, meinte ich achselzuckend und nahm einen
großen Schluck Kaffee.
Er neigte sich ein wenig zu mir herunter und sagte mit
gesenkter Stimme: „Du imponierst mir von Tag zu Tag mehr, kleine Kriegerin.“
Ich riss die Augen auf und verschluckte mich so sehr an
meinem Kaffee, dass ich einen ausgewachsenen Hustanfall bekam.
Desiderio verließ mit einem leisen Lachen die Küche und ließ
mich hustend und schnaufend zurück. Gott sei Dank, denn ein Teil des Kaffees
hatte sich so dermaßen verirrt, dass er bei meiner Nase wieder herauskam.
Und ja – das fühlte sich genauso eklig an, wie es sich
anhört.
Um Luft ringend und würgend stand ich über dem Spülbecken und
versuchte mich wieder unter Kontrolle zu bringen. Dies galt zum einen meiner
Atmung und zum anderen meinem Gehirn, dass gerade Amok lief.
Kleine Kriegerin!
War das ein Spitzname?
Ein Kosewort?
Eine Beleidigung?
Kleine Kriegerin...
Obwohl ich mich unglaublich über diesen arroganten
Sprücheklopfer aufregen musste, so musste ich doch zugeben, dass mir diese
Bezeichnung irgendwie gefiel.
Scheiße, dieser Arbeitstag konnte ja nur noch besser
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