Vorkosigan 02 03 Cordelia's Ehre
dergleichen gesehen, solange du nicht einen altmodischen banayaianischenpaterjamilias gesehen hast in Verzückung über einen neuen Spross an seinem Stammbaum. Seit Jahren war der arme alte Herr davon überzeugt, seine Linie würde mit mir enden.«
»Wird er mit verzeihen, dass ich aus dem gewöhnlichen
Volk und von einer anderen Welt stamme?«
»Ich möchte dir nicht zu nahe treten, aber diesmal glaube ich nicht, dass es ihm was ausgemacht hat, welche Spezies von Frau ich heimgeschleift habe, solange sie nur fruchtbar ist. Du glaubst, ich übertreibe?«, fügte er hinzu, als sie hell auflachte.
»Du wirst es schon sehen.«
»Ist es zu früh, schon an einen Namen zu denken?«, fragte
sie etwas nachdenklich.
»Da gibt es nichts zu denken. Erstgeborener Sohn. Das ist
hier eine strenge Sitte: Er bekommt seine Namen nach seinen beiden Großvätern. Nach dem väterlichen den ersten, nach dem mütterlichen den zweiten.«
»Ach, deshalb ist eure Geschichte so verwirrend zu lesen.
Ich musste immer Jahreszahlen neben diese immer gleichen
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Namen stellen, damit ich den Überblick behielt. Piotr Miles.
Hm. Nun, ich glaube, ich kann mich daran gewöhnen. Ich hatte an etwas… anderes gedacht.«
»Das nächste Mal, vielleicht.«
»Ganz schön ehrgeizig.«
Dem folgte eine kurze Rangelei, denn Cordelia hatte zuvor
schon die nützliche Entdeckung gemacht, dass er in
bestimmten Stimmungen kitzliger war als sie. Sie errang sich eine gehörige Portion Rache, und schließlich lagen sie lachend im Gras in der Sonne.
»Das ist sehr würdelos«, beschwerte sich Aral, als sie ihn aufstehen ließ.
»Hast du Angst, ich schockiere Negris Menschenfischer dort draußen auf dem See?«
»Den kann nichts mehr schockieren, das garantiere ich dir.«
Cordelia winkte zu dem fernen Luftkissenboot hinüber, aber dessen Insasse ignorierte standhaft ihre Geste. Zuerst war sie ärgerlich gewesen, als sie erfuhr, dass Aral unter ständiger Beobachtung des kaiserlichen Sicherheitsdienstes stand, später hatte sie sich damit abgefunden. Sie vermutete, dass dies der Preis für seine Verwicklung in die geheime und tödliche Politik des Krieges um Escobar – und die Strafe für einige seiner weniger willkommenen unverblümten Meinungsäußerungen.
»Ich kann verstehen, warum du es dir zum Hobby gemacht
hast, mit ihnen Katz und Maus zu spielen. Vielleicht sollten wir freundlicher werden und sie zum Essen oder so einladen. Ich meine, dass sie mich jetzt schon so gut kennen müssen, da möchte ich sie auch gern mal kennen lernen.« Hatte Negris Mann die familiäre Unterhaltung aufgezeichnet, die sie gerade geführt hatten? Gab es Abhörgeräte in ihrem Schlafzimmer? In ihrem Bad?
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Aral grinste, aber er antwortete: »Sie dürften es nicht
annehmen. Sie essen oder trinken nur das, was sie selber
mitbringen.«
»Du lieber Himmel, wie paranoid. Ist das wirklich nötig?«
»Manchmal. Ihr Geschäft ist gefährlich. Ich beneide Sie
nicht.«
»Ich denke, da draußen herumzusitzen und dich zu
beobachten, dürfte einen netten kleinen Urlaub ausmachen. Der wird doch eine tolle Sonnenbräune heimbringen.«
»Das Herumsitzen ist der härteste Teil. Sie sitzen vielleicht ein ganzes Jahr, und dann werden sie auf einmal zu fünf Minuten totaler Aktion von tödlicher Wichtigkeit gerufen.
Aber sie müssen das ganze Jahr über jeden Augenblick für
diese fünf Minuten bereit sein. Das ist sehr anstrengend. Ich ziehe den Angriff der Verteidigung vor.«
»Ich verstehe immer noch nicht, warum irgendjemand dich
belästigen sollte. Ich will sagen, du bist doch nur ein Offizier außer Dienst, der zurückgezogen lebt. Es muss doch hunderte wie dich geben, selbst von edlem VorGeblüt. «
»Hm.« Er blickte lange nach dem fernen Boot und vermied
eine Antwort, dann sprang er auf die Füße. »Komm,
überraschen wir Vater mit der guten Nachricht.«
Ja, jetzt verstand sie es. Graf Piotr zog ihre Hand auf seinen Arm und entführte sie in das Esszimmer, wo er ein spätes Abendessen einnahm, nach den neuesten
Schwangerschaftsberichten fragte und ihr frische Gartenköstlichkeiten aufnötigte, die er vom Lande mitgebracht hatte. Sie aß gehorsam Weintrauben.
Als sie nach dem Abendessen Arm in Arm mit Vorkosigan Senior in das Foyer schritt, drangen an ihr Ohr die Laute erhobener Stimmen aus der Bibliothek. Die Worte waren nicht zu verstehen, aber sie klangen scharf und wie Hiebe.
Beunruhigt blieb Cordelia stehen.
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Einen Moment später endete der –
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