Vorkosigan 02 03 Cordelia's Ehre
letzten Rat nur allzu leicht zu befolgen.
Sie verbrachte den größten Teil der nächsten vier Tage auf ihrem Bett. Wie in einem Nebel vergingen die Stunden in stumpfem Schweigen; es war ein Rückfall in die erschreckende Müdigkeit, die sie nach der Operation zur Plazentaübertragung und deren fast lebensgefährliche Komplikationen erlebt hatte.
Gespräche gaben keine Ablenkung. Die Bergbewohner waren
genauso wortkarg wie Bothari. Über ihnen lag die Drohung mit Schnell-Penta, dachte Cordelia. Je weniger man wusste, desto weniger konnte man sagen. Die Augen der alten Sonia musterten Cordelia neugierig, aber sie fragte nie mehr als nur: »Haben Sie Hunger?« Cordelia wusste nicht einmal ihren Familiennamen.
Baden. Nach dem ersten Bad verzichtete Cordelia auf
weitere. Das alte Ehepaar arbeitete den ganzen Nachmittag
hindurch, um genügend Wasser für Cordelia und Gregor zu
holen und zu erhitzen. Ihre einfachen Mahlzeiten erforderten fast ebenso viel Anstrengung. Hier oben gab es kein Lasche ziehen, um Inhalt zu erhitzen. Technologie, der beste Freund einer Frau. Hier erschien Technologie nur in der Form eines Nervendisruptors in der Hand eines zielsicheren Soldaten, der einen rücksichtslos jagte wie ein Tier.
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Cordelia zählte nach, wie viele Tage seit dem Putsch
vergangen waren, seit die ganze Hölle ausgebrochen war. Was geschah in der großen weiten Welt? Welche Reaktionen kamen von den Streitkräften im Weltraum, von den Botschaften anderer Planeten, vom eroberten Komarr? Würde Komarr das Chaos für eine Revolte ausnützen, oder hatte Vordarian die Komarraner auch überrumpelt?, was tust du jetzt dort draußen?
Obwohl Sonia keine Fragen stellte, brachte sie dann und
wann von draußen Fetzen lokaler Neuigkeiten mit. Vordarians Truppen, die ihr Hauptquartier in Piotrs Residenz hatten, waren nahe daran, die Suche auf dem Grund des Sees aufzugeben.
Hassadar war abgeriegelt, aber immer wieder entkamen
Flüchtlinge. Die Kinder von irgendjemand waren
herausgeschmuggelt worden und hielten sich jetzt bei
Verwandten in der Nähe auf. In Vorkosigan Surleau waren die meisten Familien von Piotrs Gefolgsleuten entkommen,
ausgenommen die Frau und die sehr betagte Mutter von
Gefolgsmann Vogti, die in einem Bodenwagen weggebracht
worden waren; niemand wusste, wohin.
»Und, ach ja, sehr seltsam«, fügte Sonia hinzu, »sie haben Karla Hysopi mitgenommen. Das ergibt keinen Sinn. Sie war nur die Witwe eines ausgeschiedenen Armeesergeanten, was für einen Nutzen versprechen sie sich von ihr?« Cordelia
erstarrte. »Haben Sie auch das Baby mitgenommen?«
»Baby? Donnia hat nichts über ein Baby erzählt. War es ein Enkelkind?« Bothari saß am Fenster und schärfte sein Messer an Sonias Küchenschleifstein. Er hielt mitten in der Bewegung inne und sah auf. Seine Augen begegneten Cordelias erschrecktem Blick. Sein Gesichtsausdruck änderte sich fast nicht, nur seine Kinnbacken strafften sich, aber der plötzliche Anstieg der Spannung in seinem Körper ließ Cordelias Magen sich zusammenkrampfen.
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Er blickte wieder auf das hinab, was er tat und machte dann einen längeren, festeren Zug, der über den Schleifstein zischte wie Wasser auf glühenden Kohlen.
»Vielleicht… weiß Kly etwas mehr, wenn er zurückkommt«,
sagte Cordelia mit zitteriger Stimme.
»Vielleicht«, sagte Sonia unsicher.
Endlich ritt Kly, seinem Zeitplan entsprechend, am Abend des siebten Tages auf seinem Fuchs auf die Lichtung. Wenige Minuten später kamen hinter ihm Gefolgsmann Esterhazy geritten. Er war in die Kluft eines Bergbewohners gekleidet und ritt auf einem mageren Bergpferd mit dünnen Beinen, nicht auf einem von Piotrs großen, prächtigen Tieren. Sie brachten ihre Pferde weg und kamen dann zu einem Abendessen, das Sonia anscheinend schon seit achtzehn Jahren immer an diesem Abend von Klys Rundritt zubereitete.
Nach dem Essen schoben sie die Stühle an die steinerne
Feuerstelle heran und Kly und Esterhazy informierten Cordelia und Bothari mit leisen Worten. Gregor saß zu Cordelias Füßen.
»Da Vordarian sein Suchgebiet sehr ausgeweitet hat«,
begann Esterhazy, »haben Graf und Graf Vorkosigan
entschieden, dass die Berge immer noch der beste Platz sind, um Gregor zu verstecken. In dem Maß, wie sich der Radius der Suche ausweitet, werden die feindlichen Kräfte durch die Ausdehnung immer dünner und dünner.«
»Hier in der Gegend durchsuchen Vordarians Truppen
immer noch die Höhlen nach allen Richtungen«, warf
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