Vorkosigan 07 Cetaganda
Ende war das Ding schmucklos, am anderen mit einem Siegel bedeckt, das fest arretiert war.
»Das sieht so aus, als ob es in etwas hineingesteckt werden soll«, sagte Miles zu Ivan und drehte den Stab im Licht hin und her.
»Vielleicht ist es ein Dildo«, meinte Ivan grinsend.
Miles prustete. »Wer kann das schon sagen, bei den Ghem-Lords! Doch nein, das glaube ich nicht« Das eingeprägte Siegel auf der Verschlußkappe zeigte das Bild eines mit Krallen bewehrten und gefährlich wirkenden Vogels. Tief im Innern der eingeritzten Figur schimmerten metallisch haarfeine Linien, die Schaltkreisverbindungen. Irgendwo besaß irgendwer das Gegenstück, das bossierte Motiv eines kreischenden Vogels voll komplexer Codierungen, die den Deckel lösen wurden, um... was zu enthüllen? Ein weiteres Muster von Codierungen? Ein Schlüssel für einen Schlüssel... Es war alles außerordentlich elegant.
Miles lächelte fasziniert.
Ivan betrachtete ihn mit Unbehagen. »Du wirst das doch zurückgeben, nicht wahr?«
»Natürlich. Wenn man danach fragt.«
»Und wenn nicht?«
»Dann behalte ich es vielleicht als Andenken. Es ist zu hübsch, um es wegzuwerfen.
Vielleicht nehme ich es mit nach Hause, als Geschenk für Illyan, damit sein Dechiffrierlabor sich daran erproben kann. Etwa ein Jahr lang. Das ist kein Amateurzeugs, das weiß sogar ich. «
Bevor Ivan weitere Bedenken anbringen konnte, öffnete Miles seine grüne Jacke und ließ das Ding in die Innentasche gleiten. Aus den Augen, aus dem Sinn. »Ach - willst du das da haben?« Er reichte seinem Cousin den Nervendisruptor.
Ivan wollte. Beschwichtigt durch diese Teilung der Beute, ließ Ivan, der so zum Komplizen wurde, die kleine Waffe in seiner Jacke verschwinden. Die geheime Gegenwart der tödlichen Waffe dürfte. Ivan, so kalkulierte Miles, während des ganzen bevorstehenden Aussteigens ablenken und bei Laune halten.
Schließlich dirigierte die Flugkontrolle sie wieder zum Dock. Sie machten an einer Shuttle-Nische zwei Plätze weiter von ihrer vorigen Anlegestelle fest. Diesmal öffnete sich die Tür ohne Zwischenfall. Ivan zögerte zuerst ein bißchen, doch dann verließ er das Minishuttle durch das Anschlußrohr. Miles folgte ihm.
In einem brauen Raum, der fast dem ersten glich, doch sauberer und besser beleuchtet war, warteten sechs Männer auf sie. Den Botschafter von Barrayar erkannte Miles sofort. Lord Vorob'yev war ein kräftiger, robuster Mann von etwa sechzig Standardjahren mit scharfem Blick, einem Lächeln und großer Zurückhaltung. Er trug eine Uniform des Hauses Vorob'yev, weinrot mit schwarzer Paspelierung. Ziem
lich formell für diesen Anlaß, dachte Miles. Ihn
flankierten vier Wachen in grüner barrayaranischer Interimsuniform. Einige Schritte entfernt von den Barrayaranern standen zwei cetagandanische Stationsbeamte. Ihre malvenfarben
graue Kleidung ähnelte der des Eindringlings, war jedoch komplizierter geschnitten.
Nur zwei Leute von der Station? Wo waren die zivile Polizei, der militärische Geheimdienst von Cetaganda, oder wenigstens die privaten Agenten einer bestimmten Ghem-Partei? Wo waren die Fragen und die Fragesteller, die Miles erwartet hatte, damit er sie auseinandernehmen konnte?
Statt dessen sah er sich Botschafter Vorob'yev begrüßen, als wäre gar nichts geschehen
genau wie er es ursprünglich geübt hatte. Vorob'yev war ein Mann aus der Generation von Miles' Vater, und der hatte ihn tatsächlich auch ernannt, damals, als Graf Vorkosigan noch Regent von Barrayar gewesen war. Vorob'yev war aus dem Militär ausgeschieden, um in den zivilen Dienst des Kaiserreiches zu treten, und hatte diesen kritischen Posten jetzt schon sechs Jahre inne. Miles unterdrückte den Impuls zu salutieren und nickte statt dessen dem Botschafter höflich zu.
»Guten Tag, Lord Vorob'yev. Mein Vater schickt Ihnen seine persönlichen Grüße und diese Mitteilungen.«
Miles überreichte die versiegelte diplomatische Diskette. Einer der cetagandanischen Beamten vermerkte diesen Vorgang vorschriftsmäßig auf seinem Reportpanel. »Sechs Gepäckstücke?« fragte der Cetagandaner mit einem Nicken, als der Shuttle-Pilot sie alle auf die wartende Schwebepalette gestapelt hatte, vor Miles salutierte und in sein Schiff zurückkehrte.
»Ja, das ist alles«, erwiderte Ivan. Für Miles' Augen wirkte Ivan steif und nervös, da er sich der Schmuggelware in seiner Tasche sehr bewußt war, doch offensichtlich konnte der cetagandanische Beamte Ivans Gesichtsausdruck nicht
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