Vorkosigan 15 Ein friedlicher Angriffsplan
Lügen.
»Es war überhaupt nicht Ihre Schuld, Sir. Jemand… ist über seine eigenen Berechnungen hinausgeschossen.«
»Hm.« Illyan verzog seine Lippen aus Mitgefühl mit
ihrer Miene. Er zeichnete mit einem Finger das Muster
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einer Kreuzschraffur auf die Tischplatte. »Wissen Sie –
wenn wir von Botschaftern sprechen – mir kam der
Gedanke, ich sollte eigentlich zu Ihnen gehen und in
Sachen Liebe ein gutes Wort für Miles einlegen. Ich dachte mir, ich schuldete es ihm. weil ich so sehr ins Fettnäpfchen getreten war. Doch je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr wurde mir klar, dass ich wirklich keine Ahnung habe, was für einen Ehemann er abgeben würde. Ich wage es kaum, ihn Ihnen zu empfehlen. Er war ein schrecklicher Untergebener.«
Sie zog überrascht die Augenbrauen hoch. »Ich hatte
gedacht, seine Karriere beim KBS sei erfolgreich
gewesen.«
Illyan zuckte die Achseln. »Seine KBS-Missionen waren durchweg erfolgreich, oft über meine wildesten Träume hinaus. Oder über meine schlimmsten Albträume… Er schien jeden Befehl, der es wert war, befolgt zu werden, als wert überschritten zu werden zu betrachten. Wenn ich bei ihm einen Kontrollapparat hätte einbauen lassen können, dann wäre es ein Rheostat, ein Regelwiderstand, gewesen.
Um ihn mit einer oder zwei Drehungen herunterschalten zu können … vielleicht hätte ich damit erreicht, dass er länger beim KBS geblieben wäre.« Illyan blickte nachdenklich auf den Garten hinaus, doch Ekaterin glaubte, dass er mit seinem geistigen Auge etwas anderes sah als den Garten. »Kennen Sie all diese alten Volkserzählungen, wo der Graf versucht, den ungeeigneten Freier seiner einzigen Tochter loszuwerden, indem er ihm drei unmögliche Aufgaben gibt?«
»Ja…«
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»Versuchen Sie das nie mit Miles. Tun Sie's einfach…
nicht.«
Ekaterin versuchte, sich das unwillkürliche Lächeln von den Lippen zu wischen, doch es gelang ihr nicht. Sein antwortendes Lächeln schien seine Augen zu erhellen.
»Ich will damit sagen«, fuhr er selbstsicherer fort, »ich habe immer gefunden, dass er sehr schnell lernt. Falls Sie ihm eine zweite Chance geben sollten, nun ja… dann wird er Sie vielleicht überraschen.«
»Auf angenehme Weise?«, fragte sie trocken.
Jetzt gelang es ihm nicht, ein Lächeln zu unterdrücken.
»Nicht notwendigerweise.« Er schaute wieder von ihr fort, und sein Lächeln wechselte von gequält zu nachdenklich.
»Ich hatte im Laufe der Jahre viele Untergebene, die
makellose Karrieren durchliefen. Perfektion geht kein Risiko mit sich selbst ein, wissen Sie. Miles war vieles, aber nie perfekt. Es war ein Privileg und ein Schrecken, sein Befehlshaber zu sein, und ich bin dankbar und verwundert, dass wir beide lebendig davongekommen sind.
Letztlich … lief seine Karriere in einem Desaster auf Grund. Doch bevor sie endete, veränderte er Welten.«
Sie dachte keineswegs, dass Illyan dies als Metapher
meinte. Er schaute sie wieder an und öffnete mit einer kleinen Bewegung die Hände im Schoß, als wollte er sich dafür entschuldigen, dass er darin einmal Welten gehalten hatte.
»Halten Sie ihn für einen großen Mann?«, fragte
Ekaterin Illyan ernsthaft. Und muss man einer sein, um einen zu erkennen? »Wie sein Vater und sein Großvater?«
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»Ich glaube, er ist ein großer Mann … auf eine völlig andere Weise als sein Vater und sein Großvater. Allerdings habe ich oft befürchtet, er würde sich das Herz brechen bei dem Versuch, so zu sein wie sie.«
Illyans Worte erinnerten sie merkwürdig an die
Einschätzung von Miles, die ihr Onkel Vorthys abgegeben hatte, als sie Miles auf Komarr zum ersten Mal begegnet war. Wenn also ein Genie dachte, Miles sein ein Genie, und wenn ein großer Mann dachte, er sei ein großer Mann … vielleicht sollte sie ihn dann von einem wirklich guten Ehemann auf Herz und Nieren prüfen lassen.
Durch die zum Garten offenen Fenster drang schwach
der Klang von Stimmen aus dem Haus, zu gedämpft, um
die Worte zu verstehen. Die eine war ein tiefes männliches Gebrumm. Die andere gehörte Nikki. Es klang nicht nach der KomKonsole oder dem Vid. War Onkel Vorthys schon zu Hause? Ekaterin hatte gedacht, er würde bis zum Dinner unterwegs sein.
»Ich will damit sagen«, fuhr Illyan fort und winkte
nachdenklich mit einem Finger in der Luft, »er hatte immer das bemerkenswerteste Talent zur Auswahl von Personal.
Entweder zur Auswahl oder zur Formung; ich war mir nie ganz sicher,
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