Vorsaison
nichts dabei gewesen. Sie habe in fünf Minuten mehr verdient,
als sie als Verkäuferin in zwei Wochen verdiene.
Babs hatte sich zum ersten Mal im
Leben schöne Sachen leisten können, die sie zu Hause vor den Eltern jedoch in
einem alten Koffer verstecken musste. Nach einigen Monaten war der Mann jedoch
nicht mehr gekommen und Babs hatte angefangen, an den Wochenenden tagsüber zu
trampen. Doch auf diese Weise an Kundschaft zu kommen hatte sich schwieriger
gestaltet, als angenommen. Deshalb hatte sich Babs das mit dem Job als
Babysitterin ausgedacht, um eine Ausrede bei den Eltern zu haben, um auch
abends aus dem Haus zu können. Abends und vor allen Dingen an den Wochenenden
war es für sie einfacher gewesen Kundschaft zu finden. So erfuhr ich schließlich,
dass sie sich teilweise auch von den Männern, mit denen ich sie zum Beispiel in
der Discothek gesehen hatte, in der ich als Bedienung arbeitete, ebenfalls hatte
bezahlen lassen.
Zugegebenermaßen war ich etwas
geschockt von dem, was Babs mir da offenbarte! Aber ich begriff, wie frustriert
und hoffnungslos Babs gewesen sein musste, um so weit zu gehen. Was ich jedoch
nicht verstand, warum Babs nicht einfach ihre Koffer packte und zu Hause auszog!
Lieber in einer kleinen Pension über die Runden kommen und dafür sein eigener
Herr sein, als mit solchen Eltern unter einem Dach zu wohnen! Babs nickte und
meinte, damit hätte ich vollkommen Recht und das sei auch ihr Plan gewesen —
abzuhauen, sobald sie im Sommer ihre Lehre beendet hätte. Und genau wie ich
hatte sie ihren Weggang mit dieser Begründung aufgeschoben! Doch nun habe sich
eben alles geändert, erklärte Babs dann und sagte, dass sie jetzt einfach nicht
mehr länger warten könnte!
>>Scheiß auf meine Lehre<<,
sagte Babs und fragte, warum ich es denn so lange bei meinem Freund ausgehalten
hätte! Ich hätte doch auch einfach schon früher weggehen können. Tja,
wenn das wirklich alles so einfach gewesen wäre, säßen wir beide jetzt
wahrscheinlich nicht hier, hatte ich daraufhin zu ihr gesagt.
Dann erzählte Babs mir von dem Abend
im „Tropics“ und von Eduardo Junior, der eine Bar betrieb, wo sie dieser Tätigkeit nachgehen könnte ohne Angst zu haben, dass jemand zu weit ginge oder sie
anschließend nicht bezahlen wollte. Ich sagte nichts dazu und tat so, als ob
ich das Prinzip einer Copa-Bar nicht kennen würde. Obwohl Babs sich nun öffnete
und so viel preisgab, blieb ich bei meiner Version, die letzten Abende mit
Corinna zusammen in Barcelona verbracht zu haben. Falls Babs tatsächlich nach
Lloret zog, wäre immer noch genug Zeit, ihr reinen Wein einzuschenken. Aber ich
wollte nicht, dass sie sich in Deutschland jemandem gegenüber verplapperte, der
mich kannte, und deshalb erzählte ich auch nichts, was mich betraf. Jedenfalls
hatte Babs so in den letzten zwei Jahren einiges sparen können und heimlich ein
Sparbuch angelegt. Einen Teil davon wollte sie nun gleich am nächsten Tag zu
Hermann schicken, damit der eine Wohnung mieten konnte. Sie selbst hatte vor,
schon am nächsten Freitag wieder nach Lloret zurückzufahren und wenn Hermann
dann noch keine Wohnung gefunden hätte, wollte sie solange im „Picasso“ wohnen.
Ich erinnerte mich an das, was
Maurice mir gesagt oder besser geraten hatte und nach dem, was ich nun
von Babs wusste, hatte ich auch tatsächlich viel mehr Verständnis für ihre
Situation. Was war schon eine Lehre als Verkäuferin wert? Vor allem Dingen zu
dem Preis, den Babs zu Hause dafür bezahlte! Wahrscheinlich würde sie, wenn sie
in Deutschland blieb, so oder so bald heiraten — wenn auch nur, um dadurch endlich
ihrem Elternhaus zu entfliehen. Und ob sie dann jemals als Verkäuferin arbeiten
würde, war ohnehin fraglich. Wahrscheinlicher wäre es, dass sie dann bald
schwanger würde und Kinder bekäme — ob sie dann aber glücklich wäre, war
fraglich. Babs wollte raus und sie war wirklich alt genug, um selbst über ihr
Leben zu bestimmen. Und wer war ich, um darüber zu urteilen? Deshalb entschied
ich schließlich, dass ich ihr zumindest sagen konnte, dass auch ich vorhatte,
schon freitags wieder zurückzufahren. Babs war mehr als nur überrascht, freute
sich dann aber in der für sie so typischen Art riesig darüber, dass sie nicht
alleine fahren würde und umarmte mich.
Dann wollte sie wissen, warum ich schon
so früh zurück wollte und ich gab vor, die Zeit nutzen zu wollen, um Spanisch
zu lernen. Ich stotterte wohl ein wenig, als ich
Weitere Kostenlose Bücher