Vorsicht Niemandsland
verschossen‹, wie sich Hannibal ausgedrückt hatte. Sie war mit ihrem Wissen als Radio-Bakteriologin am Ende angelangt. Die ermittelten Daten waren auch mehr als dürftig. Ich beobachtete sie aus den Augenwinkeln. Ihre Lippen bewegten sich ständig. Die Hände verrieten ihre innere Unruhe. Sie dachte zweifellos an ihren Jungen, der mehr als hundert Millionen Kilometer entfernt in einem Seuchengebiet der Erde auf Heilung wartete.
Hannibal hatte während der letzten Stunde eine steigende Aktivität entwickelt. Zur Zeit saß er vor dem Mikrofilm-Betrachter. Die winzigen Spulen enthielten die Akten aller Männer, die jemals auf den Mars gekommen waren.
»Interessant!« sagte er plötzlich und stieß einen schrillen Pfiff aus, so daß unser schlafender Deneber ruckartig hochfuhr. Sein Mund war verzerrt. Offenbar hatte ihm der Kleine mit den hohen Tönen Schmerzen zugefügt. Es war erstaunlich, wie empfindlich diese fremden Gehirne auf hohe Frequenzen ansprachen.
»Mußte das sein?« beschwerte er sich.
»Entschuldigung«, brummte Hannibal. »Ich habe nicht mehr an Ihre zarten Zellen gedacht. Eh, Langer, komm mal her.«
Ich erhob mich wortlos. Auf dem kleinen Schirm des Betrachters leuchtete das Abbild eines maschinenbeschriebenen Blattes. Erregung ergriff mich. Sie riß mich aus der Teilnahmslosigkeit, der Ermüdung infolge des bisherigen Mißerfolges heraus. Das Blatt enthielt kurzgefaßte Daten über das Vorleben eines Mannes, der als Facharzt für Chirurgie zum Mars gekommen war.
»Dr. Franklin Molmer«, las ich vom oberen Rand ab. »Ja und? Ich weiß, daß der Arzt zu den drei verschwundenen Personen gehört und kenne auch sein Vorleben. Einwandfrei, kluger Kopf und Vater von zwei reizenden Mädchen. Sehnt sich nach seiner Familie, was verständlich ist. Der Marseinsatz sollte nur ein Jahr dauern. Elf Monate hatte er schon hinter sich. Er gehörte zu den ersten Wissenschaftlern, die diesen Raumhafen betraten.«
»Sonst merkst du nichts?« erkundigte sich der Kleine gedehnt.
Ich warf ihm einen forschenden Blick zu. Dann sah ich aufmerksamer auf den Leuchtschirm des Mikrofilm-Betrachters. Ich las die Daten nochmals sehr genau durch. Plötzlich fiel mir das auf, was Hannibal offenbar ebenfalls entdeckt hatte. Ich fühlte, daß sich meine Muskulatur unwillkürlich spannte.
Es waren nur zwei Worte, die bisher unserer Aufmerksamkeit entgangen waren. Für einen Nicht-Eingeweihten mußten sie auch völlig bedeutungslos bleiben. Für Hannibal und mich waren sie jedoch gleichbedeutend mit einer Offenbarung.
»Horam-Schüler!« stand da am Schluß anderer Angaben über Dr. Molmer zu lesen. Das war alles.
Hannibal pfiff eine verworrene Melodie vor sich hin. Sein Grinsen wirkte marionettenhaft. Er war mit seinen Gedanken weit entfernt.
»Ach so ist das!« flüsterte ich erregt. »So ist das also! Molmer war ein Schüler des fähigsten Gehirnchirurgen, den die Menschheit jemals hervorbrachte. Professor Horam, Facharzt für Lobotomie, dürfte uns nicht unbekannt sein, oder?«
»Ich kann mich noch gut erinnern, wie er mir die Schädeldecke mit dem Ultraschall-Fräser aufschnitt. Das ist schon einige Jahre her, aber ich sehe es noch immer vor mir. Es war die Hölle.«
Hannibal war selten so ernst gewesen.
Ich las die Daten nochmals durch, ehe ich den Betrachter abschaltete. Taly Neon blickte mir unruhig entgegen. Eine unsinnige Hoffnung hatte ihr herbes Gesicht gezeichnet.
»Was haben Sie gefunden, Mr. Konnat?« fragte sie. »Was?«
»Sie sollten meinen Namen nicht so laut nennen, obwohl das im jetzigen Stadium nicht mehr als großes Geheimnis gelten kann. Kennen Sie Professor Horam? Er
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