Voyager 008 - Cybersong
befand und wohin
die Verbindungen führen sollten. Doch mit dem Versuch, es in
menschlichen Begriffen auszudrücken, hätte sie das zarte Netz
des Verstehens zerrissen.
»Entschuldigen Sie bitte, Fähnrich Mandel. Kann ich Ihnen
helfen?«
Die Stimme bohrte sich in die Trance und beendete sie jäh.
Einzelne Symbole, die gerade begonnen hatten, sich zu einem
größeren Ganzen zusammenzufügen, wurden wieder
bedeutungslos. Mandel drehte abrupt den Kopf, um
festzustellen, wer sie in dieser kritischen Phase ihrer Arbeit
gestört hatte.
Sie sah einen Vulkanier, in dessen dunkler Miene sich nur ein
Hauch Neugier zeigte. »Ich habe mich mit Computerarchitektur
befaßt«, sagte er. »Und Commander Chakotay hat mir
mitgeteilt, daß dieses Projekt derzeit die höchste Priorität an
Bord genießt. Er meinte, alle zur Verfügung stehenden
Ressourcen sollten für eine Lösung des Problems eingesetzt
werden. Deshalb bin ich hier, um Ihnen meine Mitarbeit
anzubieten.«
Daphne Mandel blinzelte. Sie gab sich alle Mühe, den Wunsch
zu unterdrücken, diesen Mann umzubringen. Sie war dem
Herzen des Problems ganz nahe gewesen: Nur noch einige
Sekunden länger, und sie hätte alles ganz deutlich gesehen.
Plötzlich verstand sie B’Elanna Torres’ Temperament. Dabei
handelte es sich nicht nur um eine individuelle klingonische
Eigenschaft, sondern auch um das Ergebnis unvermeidlicher
Frustration: Ständig mußte die Chefingenieurin mit Leuten
zusammenarbeiten, die dumme Fehler machten und sie immer
wieder bei komplexen Überlegungen unterbrachen.
In der Stellarkartographie passierte so etwas nicht. Dort ließ
man Daphne Mandel in Ruhe. Sie begriff nun: Es war ein
Luxus, von dem die meisten anderen Besatzungsmitglieder der
Voyager nur träumen konnten.
Im Gegensatz zu B’Elanna Torres hatte Mandel nicht über
Monate hinweg versucht, ihr Temperament unter Kontrolle zu
bringen. Sie wußte nicht einmal, daß sie ein Temperament
besaß. Sie erfuhr es erst, als Lieutenant Tuvok das ätherische
mentale Gebäude zerstörte, das sie errichtet hatte, um ihrer
Aufgabe gerecht zu werden.
»Ich brauche Ihre Hilfe nicht, Sir«, erwiderte sie zornig. »Ich
möchte nur allein sein, das ist alles.« Sie wandte sich ab,
während in ihr eine Mischung aus Wut und Verwirrung
brodelte. Der Mann war ein Vulkanier. Verstand er denn nicht,
daß solche Störungen die feine Kunst des Programmierens
ruinierten?
»Ich sehe keine Logik darin«, erwiderte Tuvok. »Das Problem
hat erhebliche Bedeutung. Je mehr Personen daran arbeiten,
desto schneller kann eine Lösung gefunden werden.«
»Zum Teufel mit der Logik!« zischte Daphne Mandel. »Es ist
kein logischer Vorgang!« Ihre Bemühungen basierten vielmehr
auf einem hohen Maß an Intuition und Kreativität. »Ich bin in der Struktur des fremden Datenpakets gewesen, doch Sie holten
mich heraus, bevor ich die entscheidenden Erkenntnisse
gewinnen konnte. Es wird lange dauern, um erneut eine geistige
Synchronisation herzustellen. Durch Ihre Schuld haben wir viel
Zeit verloren! In zwanzig Minuten oder maximal einer Stunde
wäre mir alles klar gewesen. Lieber Himmel, es ist eine Kunst,
und ich war nahe daran, alles zu verstehen – bis Sie es zerstört haben!«
»Ich verstehe den Vorgang nicht, den Sie zu beschreiben
versuchen«, entgegnete Tuvok.
»Sie verstehen ihn nicht? Nun, mir ist gleich, was Sie
verstehen oder nicht. Gibt es Kunst bei den Vulkaniern? Wie
können Sie ein perfektes Programm erstellen und solche Dinge
nicht verstehen?«
Mandel starrte Tuvok einige Sekunden lang an und wartete auf
eine Antwort. Der Vulkanier schwieg, und das verwirrte sie
noch mehr. »Ich ziehe mich jetzt in mein Quartier zurück. Dort
stört mich hoffentlich niemand.«
Daphne Mandel stand auf und schritt verärgert zum Turbolift.
Tuvok ließ sie gehen.
14
Der Vulkanier kehrte nicht sofort zu seiner Station auf der
Brücke zurück. Statt dessen suchte er das Sicherheitsbüro auf
und wandte sich dort einer Konsole zu, deren Anzeigen alle
Sektionen des Schiffes betrafen. Ein junger Fähnrich saß an den
Kontrollen und versuchte, wachsam zu bleiben. Tuvok beneidete
ihn nicht. Seine Aufgabe war sehr langweilig, denn es geschah
nie etwas.
Bis jetzt.
»Blockieren Sie die Tür, sobald Fähnrich Mandel in ihr
Quartier zurückgekehrt ist«, sagte Tuvok.
»Ja, Sir«, erwiderte der junge Mann nur, ohne Neugier in
Hinsicht auf den Befehl zu zeigen. Der
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