Voyager 008 - Cybersong
sagte er. »Es käme einer
Verletzung meiner Pflichten gleich, wenn ich Sie nicht darauf
hinweisen würde, daß ich eine solche Maßnahme für ungeeignet
halte.«
»Ja, ich verstehe, Mr. Tuvok.« Janeway seufzte einmal mehr.
»Das Problem liegt im Kommandosystem, nicht bei der
Hardware. Wenn das der Fall wäre, könnte Torres den Schaden
finden und reparieren. Auch einen anderen Fehler hätten wir
inzwischen gefunden. Nun, in so große Schwierigkeiten konnten
wir nur deshalb geraten, weil wir viel zu sehr vom Computer
und seinen Basisprogrammen abhängen. Aufgrund dieser
Abhängigkeit droht uns größere Gefahr als von irgendeinem
Saboteur.«
»Wir werden dadurch verwundbar«, räumte Tuvok ein.
»Wenn wir das Betriebssystem doch nur in einzelne Segmente
unterteilen könnten, so wie die Lebenserhaltung«, murmelte
Janeway. Sie überlegte einige Sekunden lang. »Wenn wir diese
Sache hinter uns haben, bitte ich Fähnrich Mandel, ein
entsprechendes Konzept zu entwickeln. Zusammen mit Mr.
Kim. Das dürfte sie in ihrer freien Zeit beschäftigt halten.«
Ein Hauch Verwirrung zeigte sich in Tuvoks Zügen. »Ich
unterrichte Fähnrich Mandel von unserer gegenwärtigen
Situation.«
Janeway nickte und ließ den Vulkanier gehen. Tuvok mußte
die Sicherheit des Schiffes gewährleisten; das gehörte zu seinen wichtigsten Aufgaben. Die Sicherheit der Voyager lag natürlich auch Janeway am Herzen. Doch was eine vernünftige
Entscheidung im Alpha-Quadranten sein mochte, wo man
jederzeit eine Starbase ansteuern oder andere Föderationsschiffe um Hilfe bitten konnte, kam hier im Delta-Quadranten einfach
nicht in Frage.
Das verstand Tuvok natürlich. Er verstand es ebensogut wie
alle anderen. Aber das bedeutete nicht, daß sie an dieser
Erkenntnis Gefallen finden mußten. Es blieb ihnen nichts
anderes übrig, als sich den besonderen Umständen anzupassen,
und das bedeutete: Manchmal wurde es erforderlich, das
kleinere von zwei Übeln zu wählen.
Heftiger Schmerz hämmerte hinter Janeways Stirn. Er ging
nicht auf die Verletzung zurück, sondern auf die schwere Bürde
der Verantwortung. Die Situation konnte kaum verzwickter sein,
und irgendwie mußte sie einen Ausweg finden.
Die Kommandantin fühlte sich wie eine Verdurstende in der
Wüste, wie jemand, der in Treibsand geriet und langsam
versank.
Treibsand. Etwas, das fest erschien. Doch darunter verbarg
sich eine Falle, die passiv blieb, bis jemand in die Nähe kam.
In eine solche Falle waren sie geraten. Captain Janeway wußte
es. Dies hatte nichts mit Cardassianern, Saboteuren oder anderen Dingen zu tun, die im Alpha-Quadranten zurückgeblieben
waren. Statt dessen gab es einen Zusammenhang mit den
Wracks im Zentrum des Tachyonenfelds.
Was hatte jene Raumschiffe in Wracks verwandelt? Warum
war das Datenpaket gesendet worden? Aus welchem Grund
existierte das Tachyonenfeld? Und warum hatten so viele
Besatzungsmitglieder der Voyager Einsamkeit verspürt?
Die Fragen zielten in eine bestimmte Richtung, und die Logik
lieferte erste, noch hypothetische Erklärungen. Vielleicht waren die Wracks einsam und sehnten sich nach Gesellschaft. Es ergab
einen gewissen Sinn. Mit Hilfe von Kom-Signalen lockten sie
Reisende an, um nicht mehr so allein zu sein.
So weit, so gut. Allerdings: Wie konnten sich
Raumschiffwracks einsam fühlen? Nach den Bioindikatoren zu
urteilen, gab es kein Leben an Bord. In den fremden Schiffen
war alles tot. Janeway hatte es mit eigenen Augen gesehen,
selbst einen unmittelbaren Eindruck gewonnen.
Das Pochen zwischen ihren Schläfen schwoll an und schien
bestrebt zu sein, den Kopf explodieren zu lassen. Sie glaubte,
die Antwort zu sehen. Ohne die Schmerzen wäre sie sicher
imstande gewesen, sie genau zu erkennen. Wenn doch nur…
Plötzlich wurde Janeway klar, daß ihre Gedanken wieder
fortglitten. Sie wollte sich über die medizinische Wissenschaft
ärgern – warum konnte ihr der Doktor nicht etwas geben, das sie
von den Schmerzen befreite? In der gegenwärtigen Lage konnte
sie sich keine eingeschränkte Leistungsfähigkeit leisten. Sie
mußte fähig sein, dem Problem ihre ganze Aufmerksamkeit zu
widmen.
Janeway glaubte, in Hinsicht auf Daphne Mandel die richtige
Entscheidung getroffen zu haben, aber das Unbehagen in ihr
löste sich nicht ganz auf. Schon seit vielen Jahren arbeitete sie mit Tuvok zusammen und schenkte ihm absolutes Vertrauen. Er
verfügte über Instinkte – er hätte das bestritten,
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