Wachen! Wachen!
auffiel, daß es dem Raum an der für Junggesellen üblichen Unordnung mangelte. Er glaubte sogar, Talkumpuder zu riechen.
»Eine Art Budoah«, erklärte Nobby im Tonfall eines Experten.
»He, einen Augenblick!« ächzte Mumm. »Ich entsinne mich an einen Drachen. An
den
Drachen. Er war direkt über uns…«
Die Erinnerung marschierte heran und schlug zu wie ein zorniger Zombie.
»Ist alles in Ordnung mit dir, Hauptmann?«
… die Klauen, mehr als zwei Meter breit; das dumpfe Donnern der Schwingen, größer als Segel; ein gräßlicher Gestank – allein die Götter mochten wissen, wovon er stammte…
Das Ungetüm flog so nahe heran, daß Mumm die kleinen Schuppen an den Beinen und das rote Glühen in den Augen sah. Es waren nicht nur die Augen eines Reptils. In
diesen
Augen konnte man ertrinken.
Und der Atem, heißer noch als Feuer, fast etwas Massives. Er verbrannte nicht, sondern zerschmetterte…
Trotzdem lag er hier im Bett und lebte. Die eine Körperseite fühlte sich an, als habe sie sich auf einen Boxkampf mit einer dicken Eisenstange eingelassen,
aber ich bin nicht tot.
»Was ist passiert?« fragte er.
»Der junge Karotte«, sagte Nobby. »Er hat dich und den Feldwebel gepackt, ist mit euch vom Dach gesprungen, bevor der Drache Gelegenheit bekam, uns zu erwischen.«
»Ich habe Schmerzen«, stellte Mumm fest. »Also
hat
er mich erwischt. Wenigstens zum Teil.«
»Nein«, entgegnete Nobby. »Vermutlich liegt’s daran, daß du erst aufs Klodach und dann auf die Regentonne gefallen bist.«
»Und Colon? Ist er verletzt?«
»Nicht verletzt. Nicht direkt
verletzt.
Er landete etwas weicher. Sein Gewicht sorgte dafür, daß er
durchs
Klodach fiel, und darunter, nun, du weißt schon…«
»Was ist dann geschehen?«
»Tja, wir haben’s dir so bequem wie möglich gemacht. Anschließend gingen wir umher und riefen nach dem Feldwebel. Bis wir ihn fanden. Daraufhin blieben wir stehen und riefen nur noch.« Nobby zögerte kurz. »Und dann kam die Frau und rief ebenfalls.«
»Damit meinst du Lady Käsedick, nicht wahr?« fragte Mumm kühl. Inzwischen schmerzten seine Rippen mit hingebungsvollem Eifer.
»Ja«, bestätigte Nobby. »Tolles Weibsbild. Ich meine, wenn man Masse mag. Versteht sich gut darauf, Leuten Anweisungen zu geben. ›Oh, der arme Mann, bringt ihn
sofort
in mein Haus.‹ Deshalb bist du hier. Eigentlich gibt’s gar keinen besseren Ort. In der Stadt geht’s drunter und drüber. Die Leute laufen umher wie Hühner, denen man gerade den Kopf abgeschlagen hat.«
»Hat der Drache großen Schaden angerichtet?«
»Nun, während du bewußtlos warst, haben die Zauberer das Ungeheuer mit Feuerbällen angegriffen. Ich glaube, das gefiel ihm nicht sonderlich. Es wurde dadurch nur noch stärker und zorniger. Hat den ganzen Umgekehrten Flügel der Universität zerstört.«
»Und…?«
»Das wär’s eigentlich. Es verbrannte noch einige andere Dinge und verschwand dann im Rauch.«
»Niemand hat gesehen, wohin der Drache flog?«
»Wenn irgendwelche Leute darüber Bescheid wissen, so behalten sie’s für sich.« Nobby lehnte sich zurück und schnitt eine Grimasse. »Widerlich, daß die Lady in einem solchen Zimmer wohnt. Sie hat haufenweise Geld, meint der Feldwebel. Also braucht sie nicht in gewöhnlichen Zimmern zu wohnen. Was hat’s für einen Sinn, nicht arm sein zu wollen, wenn es den Reichen gestattet ist, in gewöhnlichen Zimmern zu wohnen? Normalerweise müßte hier alles aus Marmor bestehen.« Nobby schnaufte leise. »Nun, die Lady hat mir aufgetragen, sie zu verständigen, sobald du erwachst. Sie füttert gerade ihre Drachen. Komische kleine Biester. Ich frage mich, wieso sie Drachen züchten darf.«
»Wie meinst du das?«
»Du weißt schon. Sie sind alle vom gleichen Schlag.«
Nobby schlurfte nach draußen, und Mumm sah sich noch einmal im Zimmer um. Es fehlten tatsächlich jene Dinge aus Blattgold und Marmor, die der Korporal bei Leuten von hohem Stand für selbstverständlich hielt. Die Möbel waren alt. Die Gemälde an den Wänden mochten wertvoll sein, aber sie sahen wie Gemälde aus, die nur deshalb in einem Schlafzimmer hingen, weil ihr Eigentümer keinen geeigneteren Platz fand. Unter ihnen befanden sich auch einige schlichte Aquarelle, die Drachen zeigten. Zusammengefaßt ließ sich folgendes sagen: Es handelte sich um eins von den Zimmern, in denen nur immer eine Person wohnt, die es voll und ganz ihren Bedürfnissen angepaßt hat – wie ein Gewand mit Decke.
Es war
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