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Wachsam

Wachsam

Titel: Wachsam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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Verlegenheit, die besonders wirkungsvoll war. Die Resultate waren verschieden, aber zufriedenstellend; ein zorniges Erröten, ein hastiges Hinunterschnellen des rechten Daumens am verräterischen Saum entlang, ein eiliges Raffen des Jacketts. In einem Fall – ein deklassierter Homo, erklärte Shamus, typisch für die Kinderwagenbranche heutzutage, echte Homos seien nicht deklassiert – machte das Opfer glatt wieder kehrt, wobei es eine vage Entschuldigung über Autoscheinwerfer murmelte, um ein paar Minuten später nach einer zweifellos erschöpfenden Ausschau wieder aufzutauchen.
    »Was würden Sie tun, Lover?« fragte Shamus gelassen Cassidy, »wenn wir Ihnen die Kur verpaßten?«
    Da er nicht wußte, welche Antwort Shamus wünschte, flüchtete Cassidy sich in die Wahrheit.
    »Oh, ich würde mich verziehen«, sagte er. »Schleunigst.«
    Es entstand eine kleine Pause, während der Helen mit ihrem Löffel spielte.
    »Aber was sollte ich denn tun?« fragte Cassidy, plötzlich verwirrt. »Was würden Sie von mir erwarten? «
    »Blankziehen«, sagte Helen prompt, sehr zu Cassidys Bestürzung, denn an Witz war er bei Frauen nicht gewöhnt, auch nicht an unweibliche Derbheit, selbst wenn sie von der harmlosen Sorte war.
    »Das heißt also, daß Sie es einfach nicht besser verstehen, wie?« sagte Shamus schließlich und faßte liebevoll seine Hand über dem Tisch. »Sie haben noch nie das verdammte Licht der Welt erblickt, nicht wahr, Lover? Gott, jetzt fällt’s mir wieder ein, Sie sind Flaherty.«
    »O nein, bestimmt nicht«, versicherte Cassidy ihm bescheiden.
    »Er denkt ständig nach«, sagte Helen, »das weiß ich.«
    »Wer sind Sie?« fragte Shamus. Er hielt noch immer Cassidys Hand und beobachtete sein Gesicht mit einem Ausdruck großer Ratlosigkeit. »Was haben Sie mitgekriegt?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Cassidy und setzte eine schüchterne Miene auf. »Ich glaube, ich warte darauf, daß es mir klar wird.«
    »Das Warten macht einen fertig, Lover. Man müßte es sich nehmen, nur dann kriegt man’s.«
    »Schauen Sie sich Alastair an«, mahnte Helen. »Alastair wartet schon sein ganzes Leben lang auf einen Zug. Sie kommen und fahren ab, aber er springt nicht auf, nicht wahr, Shamus?«
    »Vielleicht ist er insofern wirklich Gott«, sagte Shamus und musterte seinen neuen Freund.
    »Nicht alt genug«, erinnerte Helen ihn. »Gott ist dreiundvierzig. Cassidy ist viel jünger, nicht wahr, Cassidy?«
    Da er keine passende Antwort fand, speiste Cassidy die Frager achselzuckend mit einem melancholischen, weltmüden Lächeln ab, das andeuten sollte, seine Probleme säßen zu tief, um in einer einzigen Sitzung gelöst zu werden.
    »Wie dem auch sei, ich bin sehr stolz auf Ihre Gesellschaft.«
    »Wir sind sehr stolz auf Cassidys Gesellschaft«, sagte Helen nach einer geringfügigen Pause. »Nicht wahr, Shamus?«
    » Ecstatica «, sagte Shamus und küßte ihn.

6
    Und es war immer noch bei Bruno’s , kurz vor ihrem Aufbruch zu weiteren Genüssen, als sie zum erstenmal auf die Themen von Shamus’ neuem Roman zu sprechen kamen und auf Shamus’ Ruf als Autor. Dieser Augenblick war in Cassidys Erinnerung noch höchst lebendig. Helen spricht.
    »Ich meine, ehrlich, Cassidy, es ist tatsächlich so, so fantastisch, Sie haben keine Ahnung. Ich meine, Gott, wenn man den Mist sieht, der die guten Kritiken bekommt, und dann liest man das , liest es einfach nur kulinarisch, dann ist es lächerlich, daß er sich überhaupt Sorgen macht. Ich meine, ich weiß es.«
    »Wovon handelt er?« fragte Cassidy.
    »Ach Gott, von allem , nicht wahr, Shamus?«
    Shamus’ Aufmerksamkeit ist auf den Nebentisch gerichtet, wo eine blonde Dame aus Gerrards Cross den Worten eines verkleideten Bischofs über den Mülleimer der Ideen – Shamus Metapher für Politik – lauscht.
    »Klar«, sagt er zerstreut. »Totale Weltsicht«, und rückt seinen Stuhl in den Zwischengang, um seine Beute besser im Auge zu haben.
    Helen fährt fort.
    »Ich meine, er bringt sein ganzes Leben darin: mich und … nun, eben alles. Ich meine, das ganze Dilemma des Künstlers, daß er nämlich echte Menschen braucht wie Sie und mich, damit er sich zu ihnen in Gegensatz stellen kann.«
    »Bitte weiter«, drängt Cassidy. »Ich bin völlig fasziniert, ehrlich. Noch nie habe ich mich damit … auseinandergesetzt.«
    »Sie wissen doch, was Henry James sagte, nicht wahr?«
    »Welche Stelle meinen Sie genau?«
    » Unser Zweifel ist unsere Leidenschaft , und unsere Leidenschaft ist

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