Wächter des Elfenhains (German Edition)
Augen und sandte einen letzten stummen Dank an die zwei wundervollen Geschöpfe, die für ihn in den Tod gegangen waren, dann ließ er Esendion und Alisera los.
Sie trieben von ihm weg, versanken allmählich im dunklen, grünen Wasser, das sie feierlich willkommen zu heißen schien. Es umarmte sie, umhüllte sie schützend, lud sie ein in ewig-stille Tiefen. Ein sanfter, trauriger Windstoß fuhr über die Oberfläche des Sees, als sie endgültig versanken.
Andion wünschte, er könnte es ihnen gleich tun. Er würde alles dafür geben, könnte er die Zeit nur um ein paar wenige lächerliche Minuten zurückdrehen, zurück zu jenem schrecklichen Moment im Krankenhaus, als er seinem Vater zum ersten Mal von Angesicht zu Angesicht in die Augen geblickt hatte; bevor all seine Freunde von Ogaires tödlichen Klauen in Stücke gerissen worden waren. Ein zweites Mal würde er nicht zögern. Esendion, Alisera und Ionosen hatten nur deshalb sterben müssen, weil er zu feige gewesen war, seinem Leben durch seine eigene Hand ein Ende zu setzen, als er noch die Gelegenheit dazu gehabt hatte. Wäre er tatsächlich, was sie in ihm zu sehen geglaubt hatten, hätte er niemals zugelassen, dass sie mit ihren Körpern die Kugeln abfingen, die eigentlich für ihn bestimmt waren. Statt immer wieder wie ein ängstliches Kaninchen davonzulaufen, hätte er schon längst mit einem beherzten Schnitt für klare Verhältnisse sorgen können. Doch er hatte es nicht getan, hatte den edlen Wesen, die so gleichgültig von seinem Vater dahingeschlachtet worden waren, keine Ehre erwiesen. Er konnte nicht einmal länger an ihrem Grab verweilen. Seine Mutter war allein, und jetzt, da Ionosen tot war, gab es keinen Zauber mehr, der sie beschützte. Womöglich war Ogaire deshalb nicht mehr hier, womöglich streifte er stattdessen bereits durch die Stadt und suchte nach ihr. Er musste sofort zurück, sie warnen, sie fortbringen – in den Hain, ganz gleich, was der Rat oder die anderen Elfen davon hielten. Niemals würde er sie zurücklassen, niemals würde er zulassen, dass sie Ogaire erneut in die Hände fiel!
Mit dem letzten Rest seiner Willenskraft schaffte es Andion doch noch, eine Blase aus schützender magischer Energie um sich zu erzeugen, die ihn für die Blicke gewöhnlicher Menschen nahezu unsichtbar machte. Klatschnass und mit blutverschmierter Kleidung musste er einen Anblick bieten, der zu viele Fragen provoziert hätte, Fragen, die zu beantworten er im Moment weder das Verlangen noch die Zeit besaß.
Doch obwohl er weder beachtet noch angesprochen wurde, verwandelte sich der Weg nach Hause von Minute zu Minute mehr in einen Albtraum, der ihn ein ums andere Mal vor Frustration und Verzweiflung beinahe laut hätte brüllen und mit den Fäusten um sich schlagen lassen. Er versuchte, so schnell wie möglich zu laufen, dennoch schien er kaum voranzukommen. Die Straße schien sich höhnisch vor ihm in die Länge zu ziehen, dehnte und streckte sich wie ein geschmolzener Kaugummi, und ihm war, als kämpfe er sich bereits seit Stunden durch einen surrealen, zähflüssigen Brei, als sei er gefangen im Hamsterkäfig des Teufels, dazu verdammt, sich in einem diabolischen Laufrad die Lunge aus dem Leib zu keuchen, wieder und wieder im Kreis herum, bis ihm das Fleisch als Staub von seinen morschen Knochen rieselte und seine Mutter nur noch eine blasse Erinnerung war, deren klagendes Wimmern als verwehendes Echo durch die Unendlichkeit trieb.
Mit einem heiseren Aufschrei auf den Lippen stürzte Andion noch schneller voran, stolperte, rappelte sich wieder auf und peitschte sich gnadenlos weiter. Als er schließlich mit pfeifendem Atem und qualvollem Seitenstechen vor ihrem Haus anlangte, hielt er sich nicht damit auf, wie üblich in seiner Hosentasche nach seinem Handy oder dem Wohnungsschlüssel zu suchen, zumal er nicht einmal wusste, ob er beides nach seiner dramatischen Flucht vor Ogaire und seinem wilden Anrennen gegen Ionosens magische Barriere überhaupt noch bei sich trug. Stattdessen ballte er eine Hand zur Faust und schmetterte sie gegen die Tür, legte zum ersten Mal in seinem Leben alle Kraft in seinen Schlag, die er besaß.
Die Tür wurde kreischend aus ihren Angeln gerissen, flog wie ein kaputtes Spielzeug durch den Flur und prallte krachend gegen die Wand. Andion kümmerte sich nicht darum.
„Mutter!“, brüllte er, nahm drei Stufen auf einmal, während er über die Treppe nach oben hetzte.
Sein panischer Herzschlag dröhnte ihm in
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