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Während ich schlief

Während ich schlief

Titel: Während ich schlief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Sheehan
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Abend darum.«
    Ich hoffte, dass es wirklich arktisch war. Noch eine Dosis von Apokalypse damals konnte ich nicht ertragen.
     
    Zu wissen, dass ich meinen Horror-Geschichtskurs wahrscheinlich bald hinter mir lassen konnte, hatte keinen Einfluss auf meine Albträume. Sie waren sogar noch schlimmer in dieser Nacht. Wieder lief ich durch lange Gänge, doch es waren Gänge aus menschlichen Leichen, aufgedunsen und rot und widerlich, Bilder des Grauens, Bilder von den Schrecken, über die meine Geschichtslehrerin mich informiert hatte. Diesmal wusste ich zu meinem eigenen Entsetzen, wonach ich suchte. Ich suchte nach etwas oder nach jemandem in diesen Leichenwänden, einen von den Abertausend aufgestapelten Toten. Dabei war ich nicht sicher, ob der Leichnam, wenn ich ihn fand, wirklich tot sein würde, oder ob er aufwachen und versuchen würde ... Ich wusste nicht, was. Darauf kam es nicht an. Was er auch vorhatte, es würde grauenvoll sein.
    Zuerst dachte ich, dass ich bei jedem in das Gesicht von Mom, Dad oder Xavier blicken würde, aber so war es nicht. Ich zwang mich, in die Gesichter der schmerzgekrümmten, triefenden Leichen zu blicken, der Gestank war schrecklich, und ich begann durch die Haufen hindurchzurennen und nach einer Stelle zu suchen, wo ich mich übergeben konnte, aber es gab nur diese Gänge aus Toten. Ich wusste, dass Xavier unter ihnen war, und ich wusste, dass ich ihn nie finden würde.
    Diesmal weinte ich, als ich erwachte. Zavier hob den Kopf vom Fußende und winselte besorgt. »Ist schon gut, Zavy«, sagte ich und tätschelte seinen Kopf. »Braver Hund.«
    Ich atmete tief durch und stand auf. Zavier ächzte, folgte mir aber gefügig auf den Fersen. Es hatte keinen Zweck zu versuchen,
wieder einzuschlafen, wenn die Albträume erst einmal angefangen hatten. Sie kehrten immer wieder. Ich vermisste meine Stase-Träume. Die kippten nie ins Unheimliche.
    Leise ging ich aus dem Zimmer und über den Flur in mein Atelier. Das Aquarium verbreitete sein sanftes Leuchten im Raum. Ich machte die Lampe über dem Zeichentisch an und deckte die Kreidezeichnung ab, die ich am Abend begonnen hatte. Es war eine Skizze von Bren. Ich blickte in seine grünen Kreideaugen und lächelte. Xaviers Augen waren auch grün gewesen. Vielleicht fühlte ich mich deshalb so zu Bren hingezogen. Sonst sahen sie sich überhaupt nicht ähnlich – der Schnitt der Lider, die Haarstruktur, der Hautton, alles verschieden. Brens Augen aber erinnerten mich an meinen Xavier.
    Ganz vertieft zeichnete ich Bren gerade ein grünes Hemd, passend zu den Augen, als ich ein Geräusch hinter mir hörte. Ich dachte an Patty oder Barry, obwohl ich mich wunderte, dass sie sich die Mühe machten, nach mir zu sehen. Es war schon komisch, nach meinen Eltern, die jede meiner Bewegungen geplant, all mein Tun beobachtet und jeden Fehler vorsorglich verhindert hatten, mit Patty und Barry zu leben, die kaum mit mir sprachen, es sei denn, ich ging auf sie zu.
    Die Schritte hinter mir waren langsam und exakt. Ich wollte mich gerade umdrehen, als eine schroffe, krächzende, männliche Stimme sagte: »Sie sind Rosalinda Samantha Fitzroy. Bitte drehen Sie sich um für den Irisscan.«
    Das war nie und nimmer Barry.



M eine Hand rutschte aus und verdarb Brens Porträt. Ich fuhr herum und warf dabei mehrere Kreidestücke herunter, die auf dem Holzfußboden zerbrachen.
    Der schwarzhaarige Mann, dem ich mich gegenüber sah, hatte etwas Unwirkliches. Seine Haut glänzte im Schein der Lampe, als wäre sie aus Glas. Er stand kerzengerade. In der einen Hand hielt er ein komisches ringförmiges Ding mit kleinen blinkenden Lämpchen daran, in der anderen einen schwarzen Stock mit einer rot-gelben Warnleuchte an der Spitze.
    Er jagte mir eine Heidenangst ein, aber ich fand meine Sprache wieder. »Was wollen Sie?«
    Der Mann zuckte mit dem Kopf, wobei sich kein Härchen regte. »Stimmabgleich positiv«, sagte er. Er sah asiatisch aus, sprach aber mit einem harten deutschen Akzent. Dazu sehr monoton, als würde er vorher aufgezeichnete Silben aneinanderreihen. »Bitte verhalten Sie sich still für den Irisscan.«
    Zavier fing an zu knurren. Der glänzende Mann beachtete ihn nicht. Er starrte mir nur ins Gesicht und sagte: »Irisscan positiv. Zielperson identifiziert.«
    Zavier stürzte sich auf ihn und packte sein Bein mit einem furchterregenden Knurren. Ich schrie auf und rechnete damit, dass der Mann ihm einen Tritt versetzen würde, aber er ignorierte den wütenden

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